Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
halben nächsten Hügel wieder hinauf, bis sie endlich zum Stehen kamen.
»War das knapp.« Christoph pumpte. Sein Gesicht war gerötet, er zitterte am ganzen Körper.
»Verdammt knapp.« Maik stützte die Hände auf den Knien ab. Dann begann er zu grinsen. »Hätte nie gedacht, dass das klappt!«
»Hast du die Fressen im Auto gesehen?«
»Ja.« Maik lachte hysterisch, und Christoph fiel mit ein.
»Wir sind die Geilsten!«
»Auf jeden.«
»Noch mal?«
Wieder brüllten sie vor Lachen. Langsam rollten und liefen sie zurück. Es dauerte, bis sie oben waren, und die Herzen schlugen auch dann noch schneller. Zwei Autos fuhren an ihnen vorbei, und alle glotzten.
Christoph und Maik lachten, und dem Fahrer, der hupte, drehten sie den blanken Hintern zu.
Als sie bei den Rädern angekommen waren, zogen sie sich an. Sie fuhren nicht noch mal, aber Maik wusste nun, dass man Christoph so wenig einen Feigling nennen konnte wie ihn selbst.
24
Wir hatten die Ardennen hinter uns gelassen und fuhren durch eine ebene Gegend voller Felder. Mir fielen vor allem die riesigen Flächen an Sonnenblumen auf, vielleicht auch nur, weil ich das so nicht kannte.
Noch vor der Abfahrt hatte Knolle angerufen und gefragt, ob meine Eltern uns Geld für Einkäufe dagelassen hatten. »Die Finanzkrise hat uns jetzt auch erwischt. Und die Bierkrise, das ist nämlich alle. Und die Chips sind’s auch.«
»In meinem Zimmer, rechte Schublade im Schreibtisch. Das muss aber zwei Wochen langen.«
»Das Bier auch. Danke.«
Er hatte nicht noch mal gefragt, was ich trieb.
Ich saß hinter Lena, und die düsteren Gedanken vom Rastplatz waren verschwunden.
Weiße Ortsschilder und Vorwegweiser rauschten an uns vorbei, 3km, 7km, 9km, 4km, 14km, die Namen vergaß ich sofort wieder. Lenas Haarspitzen flatterten unter ihrem Helm hervor, ich achtete weiter auf Kilometerangaben und die wechselnde Landschaft. Sosehr sie unserer ähnelte, wirkte sie auch anders, aber den Unterschied konnte ich nicht richtig fassen. Auf jeden Fall wurde in Frankreich mehr gehupt, und die Verkehrsregeln wurden eher als Kann - oder Müsste-aber -Regeln betrachtet. Das erinnerte mich an Italien, man kam irgendwie miteinander zurecht. Erst wenn nicht, galten die Regeln.
Klasse, kaum einen Tag im Land, schon glaubst du, es durchblickt zu haben.
Vielleicht fielen einem im Ausland die Unterschiede auch nur auf, weil man ständig danach suchte.
Lena und Maik wechselten sich in der Führung ab, und als Maik gerade wieder an uns vorbeigeprescht war, nahm ihm ein dunkelblauer Renault Clio Gordini die Vorfahrt. Unvermittelt tauchte er hinter einem Maisfeld auf, verdeckt von einem Wegweiser, unter den irgendwer noch das Plakat für eine Party gehängt hatte: Bunte Silvesterraketen regneten auf eine fette Liste von DJs.
Maik stieg in die Bremsen und riss den Lenker nach links, doch zu langsam. Der Kühler touchierte sein Hinterrad, und er kam ins Schlingern. Selina wurde auf dem Sitz hin und her geschmissen, verlor den Halt und stürzte, als das Motorrad schon fast stand. Und dann kippte es um, ohne dass Maik es verhindern konnte. Er knallte mit der Maschine auf die Seite.
Das Auto stand.
Ich hatte noch immer das Scheppern des Zusammenpralls im Kopf und schrie. Vor meinem geistigen Auge sah ich Christoph durch die Luft fliegen und zu Boden prallen. Blut, überall Blut, er trug keinen Helm.
Auch Lena schrie. Sie bremste, und ich wurde gegen ihren Rücken gepresst, unsere Helme knallten dumpf gegeneinander. Ich spürte sie zittern und mein und ihr Herz schlagen. Direkt vor dem Auto kamen wir zum Stehen.
Die Frau hinter dem Steuer starrte uns entsetzt an, aber ich war nicht sicher, ob sie uns wirklich sah oder nur Schreckensbilder von dem, was hätte passieren können. Auf der Rückbank saßen zwei Kinder und regten sich nicht. Ein Mädchen mit von Schokolade oder Eis verschmiertem Mund und ein Junge mit verheultem Gesicht. Er heulte nicht mehr, mit weit aufgerissenen Augen stierte er hinaus zu Maik und Selina.
Selina saß inzwischen auf dem Asphalt und hielt sich den Helm, die Ellbogen auf die angewinkelten Knie gestützt. Maik würgte den Motor ab und rappelte sich wankend auf. Er humpelte und hielt sich die rechte Hand.
Ich riss mir den Helm vom Kopf, ich musste atmen.
Das Kennzeichen hatte die Nummer 413.
4 = 1 + 3.
Was hatte die 4 da verloren?
Endete auf 13, natürlich. Alles endete mit einem Unglück.
Und 41 war der Nachbar des Sinns. War also daneben, nur
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