Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
echt jetzt.« Christoph klang verzweifelt.
Maik kannte seine Eltern nicht, er wusste nicht, was er ihnen zutrauen sollte. Er hielt die noch immer angewinkelten Arme ruhig und fragte: »Echt?«
Christoph biss sich auf die Lippe und starrte zu Boden. Plötzlich hob er den Kopf und lachte laut los. »Quatsch!«
»Idiot.«
»Wär aber trotzdem schad drum, oder?« Noch immer grinsend zog er sich die Hose und auch das neue T-Shirt aus, sodass er nur in Turnschuhen und Boxershorts dastand. Dann stülpte er sich die Schoner über Knie und Ellbogen.
»Du spinnst!«
»Was denn?«
»Willst du nicht noch die Unterhose ausziehen? Damit der auch nichts passiert.«
»Hast eigentlich recht.« Und als wäre es das Normalste der Welt, zerrte er die Boxer über Knieschoner und Turnschuhe. Er klemmte die drei Kleidungsstücke auf seinen Gepäckträger und schob das Rad ein paar Schritte ins nächste Maisfeld hinein, wo es von der Straße aus nicht gesehen werden konnte. »Was ist mit dir?«
»Meine Klamotten sind nicht neu.«
»Pok, pok, pok!« Nackt schlug nun Christoph mit den angewinkelten Armen und hob abwechselnd ein Bein und das andere.
Eine Bö blies über den Hügel, und für einen Augenblick linste die Sonne zwischen den Wolken hindurch.
»Idiot!«, knurrte Maik. Weil er sich jedoch niemals und von niemandem feige schimpfen ließ, zog er sich ohne Zögern ebenfalls aus und verfrachtete sein Rad ins Maisfeld. Dann stellten sie die Lenkung ihrer Boards noch ein Stück härter ein als sonst schon beim Downhill.
»Fertig?«
»Fertig.«
Nebeneinander standen sie im sanften Wind auf der Hügelkuppe, nackt bis auf die Schuhe, Schoner und Helme. Die Sonne war längst wieder verschwunden, und sie fröstelten.
»Das sieht vollkommen bescheuert aus«, sagte Maik. Auf seinen Armen und Beinen bildete sich eine Gänsehaut.
»Ja.« Christoph lachte. »Und? Niemand kann uns sehen.«
»Gott.«
»Der hat uns so gemacht, der sollte damit klarkommen.«
»Auch wieder wahr. Dann los.«
»Ich zuerst!«, schrie Christoph und stieß sich kräftig ab, als bräuchte man hier noch eine besonders hohe Startgeschwindigkeit.
667 – neighbour of the beast.
Maik folgte ihm nur eine Sekunde später. Schon auf Höhe der Rübe nahmen sie richtig Tempo auf, die Rollen ratterten laut, während der Wind drehte und sie von hinten auch noch drückte. Schneller und schneller jagten sie ins Tal hinab.
»Zu schnell!« Maik dachte, sie würden sich hinter der Abzweigung ganz sicher hinlegen, sie würden es nicht einmal bis zu der kaputten Platte hinauf schaffen. Hoffentlich schürfte er sich nicht den ganzen Hintern auf. Und bitte nicht vorn.
Christoph lachte laut und schrie seine Freude in die Welt hinaus.
Sie flogen in die langgezogene Kurve, die Muskeln zitterten vor Anstrengung. Und dann kam ihnen ein voll besetztes Auto entgegen.
Der Mann am Steuer gaffte, hupte und zeigte ihnen den Vogel, der Beifahrer grinste. Die beiden Mädchen auf der Rückbank starrten mit offenen Mündern hinaus, und sie starrten ganz sicher nicht auf die Gesichter der Jungs. Wäre das Auto früher oder später gekommen, wäre Maik vielleicht vor Lachen vom Board gefallen. Die Gesichter glotzten einfach zu entsetzt und verwirrt, und das Auto machte einen kleinen Schlenker, bis der Fahrer das Lenkrad wieder im Griff hatte. Noch Tage später lachten sie darüber, doch in dem Moment nicht, denn das Auto versperrte die Gegenfahrbahn genau in dem Moment, als Christoph abbiegen musste. Er konnte nicht in die Abzweigung hinüber, wenn er nicht gerammt werden wollte.
»Scheiße!« Wild fluchend raste er einfach weiter.
Maik, der ein kleines Stück hinter ihm fuhr, hätte nach dem Auto abbiegen können, die Zufahrt war wieder frei. Aber er tat es nicht. Es wäre ihm wie Verrat vorgekommen, seinen Kumpel allein zu lassen, obwohl jeder auf seinem Board allein war. Er hatte Christoph hierhergeschleppt, er würde es sich nicht einfacher machen.
»Scheiß drauf!«, brüllte Christoph und: »Jaaaa!« Es war, als würde er dem Tod ins Gesicht lachen und zugleich dem Leben.
Auch Maik brüllte lauthals, er versuchte damit seine Angst zu vertreiben. In jeder Kurve dachte er, er würde sterben, sie beide würden es, aber er legte sich einfach hinein, und es klappte. Er hatte Christoph vor sich, und was der schaffte, konnte er auch schaffen. Egal, was er vorher behauptet hatte, keine der Rollen schmolz. Sie kamen heil unten an, rasten über das kleine Rinnsal im Tal und rollten den
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