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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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nachgesehen, hab das Zeug einfach nur zu den Äpfeln geworfen.«
    »Aber geile Aktion.« Er grinste. »Wie die geglotzt hat!«
    Über den Blick der Frau konnte ich auch jetzt nicht lachen, ich hatte nur ihr verängstigtes Gesicht vor mir, das ergeben meinen Schlag erwartete. Diese Passivität machte mich wütend, so wütend wie meine eigene Aggression. Warum hatte sie kein Mann sein können? Dann ginge es mir jetzt besser.
    Maik blieb am Wasser sitzen, betrachtete kurz seine geschwollene Hand, über die Tropfen rannen, und tauchte sie wieder ein.
    Lena öffnete die Satteltasche und fasste hinein. Gleich darauf schwenkte sie eine große Packung Schokoeis. »Das muss zuerst weg. Bevor es schmilzt.«
    »Und sonst?«
    »Tiefgefrorene Erbsen.« Lena wühlte weiter. »Zwei fertig verpackte marinierte Steaks. Keine billigen.«
    »Hast du auch eine Pfanne und zwei Herdplatten dafür?«
    »Wer sich beschwert, kriegt nichts.« Sie riss den Deckel von der Eispackung. »Also, wer will?«
    Alle wollten.
    »Essen wir mit den Händen?« Selina runzelte die Stirn.
    »Wir können auch reihum lecken«, sagte Maik, der selbst mit geschwollener Hand und schmerzendem Bein die dummen Sprüche nicht lassen konnte.
    »Du bist eklig.« Selina sah selbst in die Satteltaschen.
    »Ich hab keine Löffel eingesteckt.«
    »Aber da sind Kekse.«
    Ansonsten hatten wir noch Gummibärchen, zwei Packungen Butter, Essig und extra weiche Papiertaschentücher erbeutet. Damit konnten wir uns den Hintern abwischen, wenn wir uns wieder mit dem nächstbesten Baum begnügen mussten.
    Wir setzten uns in die Wiese, Maik holte noch den neuen, vollkommen weißen Aschebeutel und setzte ihn zu uns. Keiner sagte etwas. Dann grub er einen ersten Keks gierig ins Eis und brach ihn ab. Hastig fischte er die Brocken heraus, leckte sich das Eis von den Fingern und langte noch mal zu. »Mann, hab ich einen Hunger.«
    »Wenn wir heute Abend ein Feuer machen, können wir das Fleisch an einem angespitzten Stock braten«, schlug Lena vor.
    »Oder wir reiten es genießbar, wie es die Hunnen gemacht haben.« Maik schmatzte. »Hauptsache Fleisch. Essen.«
    »Das haben die nicht.«
    »Doch. Hab ich gehört. Wir müssen uns einfach nur den ganzen Tag draufsetzen, und die ständige Muskelbewegung macht es irgendwie gar.«
    »Ess ich trotzdem nicht. Die sind damals bestimmt zu Hunderten an Salmonellen gestorben. Das ist nicht schön, mein Onkel hatte das mal.«
    »Dein Onkel ist an Salmonellen gestorben?«
    »Nein. Inzwischen gibt’s da Medikamente. Tut aber tierisch weh.«
    »Ich bin fürs Feuer«, sagte Selina. »Ich setz mich nicht in Marinade.«
    »Der Fluch der Zivilisation, undraufsetzbare Steaks.«
    Wir laberten einfach nur, während wir uns das Eis in die Münder schaufelten und immer mehr Brösel in der Packung verteilten.
    »Wenigstens Jan ist hoffentlich für die Hunnenart«, sagte Maik. »So, wie er die Frau angegriffen hat, das war Dschingis-Khan-like.«
    »Haha«, sagte ich genervt. »Ich weiß selbst, dass das scheiße war.«
    »Was soll’s. Sie hat uns angefahren.«
    »Und dann ist es okay?«, blaffte Lena. »Frauen verprügeln?«
    »Machst du jetzt auf pc? Frauen dürfen Männer zusammenfahren, weil sie auch im Auto das schwache Geschlecht sind, aber wehe, ein Mann scheuert ihr eine, dann ist das Geschrei groß.«
    Selina sah ihn mit kalter Wut an. »Warum hast du sie dann nicht auch vermöbelt?«
    »Was kann ich dafür, dass Jan schneller war?«
    »Hey! Ich hab sie nicht verprügelt, ich hab sie nicht einmal getroffen!«, protestierte ich.
    »Und das macht es besser?«, fuhr Lena mich an.
    »Nein«, sagte ich sofort, weil ich mich schlecht fühlte und nicht irgendwie rausreden wollte. »Oder doch, eigentlich schon. Es ist besser, ein Auto zu schlagen als eine Frau. Frag die Frau.«
    Einen Augenblick lang starrte sie mich zornig an, den Mund geöffnet, dann entspannte sie sich ein wenig. »Okay, ja. Aber im Prinzip …«
    »Im Prinzip hast du recht. Und wenn es dich beruhigt, meine Hand tut noch immer weh.«
    »Immerhin«, sagte sie.
    Ich fragte mich, ob ihr Vater genauso geprügelt hatte wie der eine Bruder.
    »Oh!«, spottete Maik. »Deine Hand tut weh? Pok! Pok ! Pok! Ist es arg schlimm?«
    »Zeig her«, verlangte Selina. Mir fiel wieder ein, dass ihre Mutter im Krankenhaus gearbeitet hatte, irgendwo in der Verwaltung. Davor hatte sie wohl eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und Tonfall und Wissen an ihre Tochter weitergegeben.
    »Ist nicht schlimm.«

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