Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Alles Gute.«
Fernando steckt das Handy zurück in das Etui. »Entschuldigt die Störung, aber das war wichtig.«
»No problem, teacher« , antworteten mehrere.
Er bemerkt, dass er sich jetzt so richtig mit Kreide eingesaut hat, und klopft sich energisch ab.
» Teacher , kommen Sie mal.«
Fernando hebt den Blick. Es ist Yanacón, die ihn da gerufen hat.
»Könnten Sie bitte mal kommen, Herr Lehrer?«, verbessert sich das Mädchen, ohne dass er es ihr sagen muss. Sehr schön. Die gute Erziehung in Argentinien lebt also noch. Er geht zu ihr.
»Was bedeutet › erahnen ‹ ?«
35
Mauricio erklärt ihnen alles klar und deutlich, spickt dabei auf einige Notizblätter, die er aus seinem Aktenkoffer geholt hat, fasst die möglichen Szenarien zusammen. Ruso findet seine kühle Art befremdlich, aber sie ist ihm lieber als die befürchteten Wutausbrüche und Vorwürfe. Schließlich sehen sich Mauricio und Fernando zum ersten Mal seit der Geschichte mit dem Audi vor zwei Monaten. Zwei Monate? Sind schon wieder zwei Monate vergangen? Wie merkwürdig doch die Zeit ist. Manchmal zieht sie sich wie Kaugummi, manchmal verflüchtigt sie sich einfach. So wie jetzt.
Vielleicht ist die Zeit deshalb so schnell vergangen, weil die beiden ihn als Nachrichtenboten missbraucht haben, als Laufburschen, um die Sintflut an Grüßen, ironischen Kommentaren und Provokationen zu übermitteln. Er hat es mit sich machen lassen, weil ihm nichts anderes übrigblieb oder weil er die Hoffnung hatte, sie könnten sich vielleicht wieder versöhnen. Die schlimmsten Vorwürfe und Beleidigungen hat er lieber für sich behalten, um die beiden voreinander zu schützen. Mauricio hat er zum Beispiel verheimlicht, dass Fernando bei jeder Gelegenheit darüber gespottet hat, wie viele Sorgen Mauricio sich macht, ob die Versicherung auch tatsächlich bezahlt, und dass er ihm jeden Verrat unter die Nase gerieben hat, jeden Mangel an Solidarität. Fernando wiederum hat er unterschlagen, wie sehr sich Mauricio darüber aufgeregt hat, dass er die Untersuchung der Versicherung über sich ergehen lassen musste, die ihn wegen des Diebstahls in die Mangel genommen hat, jedes Detail wissen wollte, weil sie sich nicht erklären konnte, wieso die GPS -Ortung nicht funktioniert hat, obwohl sie doch den Signalsender selbst eingebaut hatte.
Daniel hat zu allem ja und amen gesagt, und jetzt ist er froh darüber. Wenn seine Ausweichmanöver, Ausfallschritte und unzähligen Halblügen dazu beigetragen haben, dass sich die Gemüter beruhigen und sich die alten und neuen Wunden schließen, hat sich die Mühe gelohnt. Zumindest sitzen sie wieder alle am selben Tisch wie zivilisierte Menschen, hören sich an, was Mauricio an Informationen zusammengetragen hat.
»Soweit ich es in Erfahrung bringen konnte, sind diese Leute aus Dnipropetrowsk seriös. Sie haben schon mehrere Spieler gekauft und gehen dabei immer gleich vor.«
»Wie?«, fragt Fernando.
»Sie setzen sich zuerst mit dem Club in Verbindung und dann mit dem Spielerberater. Wenn es keinen Spielerberater gibt wie in unserem Fall, dann mit den Besitzern der Transferrechte.«
»Über eins haben wir noch gar nicht gesprochen, aber ich will schon mal mein Interesse anmelden«, mischt sich Ruso ein. »Ich will derjenige sein, der mit dem Jungen in die Ukraine fährt, wenn er die Verträge unterzeichnen muss.«
Die anderen beiden sehen sich an, lächeln aber nicht. Offensichtlich steht ihnen nicht der Sinn nach Scherzen.
Mauricio fährt fort: »Die Verhandlungen finden in Buenos Aires statt. Die haben hier eine Art Agenten, einen Vermittler, der alle Fragen im Vorfeld klärt. Wenn es zu einer Einigung kommt, schicken sie zwei oder drei Vertreter der Clubführung, um alles rund zu machen und den Vertrag zu unterzeichnen.«
»Dann müssen wir diesen Vertreter kontaktieren.«
»Hab ich schon gemacht«, antwortet Mauricio mit einer solch eisigen Höflichkeit, dass es Ruso fast wie eine Beleidigung empfindet. »Karmasov heißt der Mann. Er hat mich neulich angerufen.«
Ruso erschrickt, weil er nicht gedacht hätte, dass die Dinge schon so weit fortgeschritten sind. Fernando verzieht keine Miene, aber Ruso ist sich sicher, dass er den Gleichgültigen nur spielt, damit Mauricio sich ja nichts einbildet.
»Geboten hat er zweihundertzwanzigtausend«, verkündet Mauricio.
»Wie hast du reagiert?«, fragt Ruso.
»Ich hab ihm gesagt, dass wir ihn auf gar keinen Fall für unter vierhunderttausend verkaufen.«
»Wie bitte? Er
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