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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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von dir und will dich sehen.«
    Mauricio ist kurz beunruhigt.
    »Daniel Gutnisky.«
    Mauricio seufzt und entspannt sich. »Sag ihm, er soll reinkommen.«
    Er steht auf, geht um den Schreibtisch herum und reißt die Tür auf, um Ruso zur Begrüßung zu umarmen. Zu seiner Überraschung steht Ruso schon auf der Schwelle. Er hat nicht das heitere Lächeln auf dem Gesicht wie sonst, sondern wirkt wütend. Und er neigt ihm auch nicht den Kopf entgegen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, sondern packt ihn am Revers seines Sakkos (samt Hemdkragen und Krawatte) und hebt ihn hoch. Mauricio packt seinerseits Rusos Arme, weil er ahnt (wegen dieses wütenden Blicks, der Energie, mit der er hochgehoben wird, dem Impuls, der von Rusos Körper ausgeht), dass er gleich rückwärts ins Zimmer geschubst werden wird. Und tatsächlich: Mit einem Schrei, der halb der Anstrengung geschuldet, halb Beleidigung ist, stößt ihn Ruso in Richtung des Schreibtischs, hinter dem Mauricio gerade hervorgekommen ist, um seinen Freund zu begrüßen. Er knallt gegen das polierte Holz, aber nur mit den Füßen, der restliche Körper setzt seinen Flug ungebremst fort, trotz all seiner Bemühungen, das Gleichgewicht wiederzufinden. Schließlich prallt er mit Rücken, Hals und Kopf gegen das Regal mit den bourdeauxfarbenen Bänden der Rechtsliteratur, dann gegen einen Sessel, der umfällt und ihn unter sich begräbt. Während er nicht weiß, wie ihm geschieht, hört er Natalia ungläubig schreien, ja kreischen, und dann sieht er, wie Rusos Beine auf ihn zukommen, wie Ruso den Sessel anhebt, der ihn fast erdrückt, aber auch beschützt; er wird hochgehoben, diesmal von hinten, und dann kommt der nächste Stoß, ein heftiger Stoß, und alles Rudern mit den Armen kann nicht verhindern, dass er diesmal nicht gegen das Regal prallt, sondern gegen die Toilettentür, während Natalia weiterhin kreischt, und schon kommt Ruso wieder auf ihn zu und verdeckt das Licht, das durchs Fenster einfällt, und Mauricio hält sich die Hände vors Gesicht, weil er denkt, dass es gleich Schläge hageln wird, aber dem ist nicht so, denn Ruso nähert nur sein rotes, wutverzerrtes Gesicht und brüllt: Du Arschloch, du gottverdammtes Arschloch, du Verräter, das werde ich dir nie verzeihen.
    Dann ist der Spuk vorbei. Rusos Schatten hat sich gelöst, weil Ruso aufgestanden und zur Tür gegangen ist, wo Natalia steht und immer noch kreischt, aber klug und wendig genug ist, um beiseitezutreten und Ruso durchzulassen, der auf die Fahrstühle zustampft. Sie geht zu Mauricio, der schwer in Mitleidenschaft gezogen auf dem Boden liegt, und fragt, ob sie einen Arzt rufen soll, oder die Polizei, oder beides, und Mauricio, der den rechten Arm kaum bewegen kann (weil es die Schulter am schlimmsten erwischt hat, als er gegen das Regal geknallt ist), hebt unter großen Schmerzen die Hand und sagt: Nicht nötig, schon gut, alles okay.
    Enttäuschung
    Nicht immer ist tiefe Zuneigung ein Garant für etwas. Weder für eine gute Beziehung noch für einen guten Ratschlag an einen Freund. Ersteres stellte Mono fest, nachdem er zwei oder drei Monate mit Lourdes zusammengelebt hatte; Letzteres bemerkte Ruso zur gleichen Zeit, als er einsah, dass sein Rat, Mono solle ruhig mit dieser Frau zusammenziehen, falsch gewesen war.
    In den vierzehn Monaten verging keine Woche ohne Streit, in dem sie sich gegenseitig zur Weißglut reizten und sich schreckliche Dinge an den Kopf warfen. Und es verging auch keine Woche, in der sie sich nicht gegenseitig anschwiegen und jeden Blickkontakt vermieden. Natürlich gab es auch gute Tage, innige Versöhnungen, aber sie glichen das Geschrei und die Entfremdung bei weitem nicht aus.
    Unterdessen schritt die Schwangerschaft voran, wurde der Bauch immer dicker. Mehr als einmal wunderte sich Fernando über die Hartnäckigkeit der Natur. Lourdes und Mono hassten sich immer mehr, zerschnitten die letzten Bande, die sie noch verbanden. Aber das Kind in Lourdes’ Bauch wuchs heran, fand mit unbeirrter Konsequenz seinen Weg in die Welt, ungeachtet des Sturms, der zwischen den beiden Menschen tobte, die es aufziehen sollten.
    40
    Fernando hebt die Tür ein wenig an, damit sich der Schlüssel drehen lässt, das Holz hat sich verzogen. Im Dunkel der Dämmerung sieht er, dass die Pflanzen im Gang verwelkt sind. Es hat seit Wochen nicht mehr geregnet, und er hat vergessen, sie zu gießen. Ein bisschen fühlt er sich schuldig. Als seine Großmutter noch in dem Haus lebte, hat sie

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