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Vier Mäuse und ein Todesfall

Vier Mäuse und ein Todesfall

Titel: Vier Mäuse und ein Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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»Tunnelblick« lässt sich am besten beschreiben, wie sie ihren Tag sah.
    Voll konzentriert griff sie nach einem Poloschläger, den sie mit zwei U-Haken neben dem Traktorsitz befestigt hatte. Sie hatte den Schläger durch die Haken geschoben und mit Rohleder gesichert.
    Die Katzen lagen hoch oben auf dem Heuboden. Die oberen Heubodentüren waren offen, ebenso alle unteren Türen und sämtliche Boxentüren, in der Hoffnung, ein Lüftchen würde durchziehen. Die Katzen sahen Harry durch das schenkelhohe, mit weißen Kleeblüten durchsetzte Obstwiesengras schreiten.
    Das Heu hatte nicht die beste Qualität für Pferde, aber für Rinder würde es genügen. Sie wollte bis Februar einen Teil ihrer Sieben-Zentner-Rundballen verkaufen. Die Qualität war gut, aber Harry, die in Sachen Ernährung pingelig war, presste nur ihre Luzerne-Obstwiesenmischung zu Quaderballen für die Pferde. Sie hatte zwanzig Morgen mit Timotheusgras und Luzerne. Ideales Heu. Natürlich mähte sie dies zuerst und presste es zu Ballen; die Hälfte hatte sie schon geschafft gehabt, bevor die Hydraulikpumpe den Geist aufgab.
    Susan, froh, im Freien zu sein, bediente den Kreiselheuwender zum Trocknen des Grases, während Harry das Heu für die Rinder mähte. Susan liebte Farmarbeit von jeher. Als sie Kinder waren, hatte sie Harrys Eltern oft gebeten, mithelfen zu dürfen.
    Harry und ihre Freundinnen waren wie mit Eisenreifen zusammengeschmiedet. Es waren nicht nur die Jahre, es waren auch die Geburten, Todesfälle, Siege, Niederlagen – die Macht gemeinsamer Erlebnisse und Erfahrungen. Jede kannte die Schwächen und Stärken der anderen. Bei Betrachtung der verschiedenen Generationen stellten sie fest, dass bestimmte eigentümliche Merkmale wieder und wieder auftauchten, von Elternteil zu Kind und so fort. Selbst wenn es einen Nobelpreis für intelligente Farmarbeit gäbe und er Harry zuerkannt worden wäre, würde er ihr nicht so viel bedeuten wie das, was sie für ihre Freundinnen empfand und was diese für sie empfanden. Natürlich glaubte sie, dass ihre Freundinnen mehr Eigentümlichkeiten aufwiesen als sie selbst. Sie dachten dasselbe von ihr. Mit ihnen gab es immer viel zu lachen.
    Auch mit ihrem Mann. Manchmal lachten die zwei dermaßen heftig, dass sie aus dem Bett fielen. Fairs Motto lautete: »Wer beim Liebesakt nicht lachen kann, liebt nicht.« Harry war da ganz seiner Meinung.
    »Sie ist methodisch.« Mrs. Murphy bewunderte Harrys Vorgehensweise.
    »Stimmt. Die Menschen haben von uns gelernt, geduldig und exakt zu sein. Sie haben beobachtet, wie wir jagen, still stehen, ergründen, wo die Beute ist. Sie leben dank uns.« Pewter blähte sich auf.
    »Huh, huh, huh« , rief Plattgesicht aus ihrem Nest in der Kuppel hinunter. »Katzen sind nicht so bedeutend wie Eulen. Die Ägypter haben schöne Friese von uns gemeißelt. Die Griechen haben uns in ihre Sagen aufgenommen, und ich darf dich daran erinnern, Dickerchen Doof, dass wir Athene heilig sind – eine Eule hat sie begleitet. Keine Katze ist je auf dem Olymp gewesen.«
    Pewter murrte leise: »Ich hasse es, wenn sie Dickerchen Doof zu mir sagt.«
    Mrs. Murphy flüsterte: »Behalt’s für dich. Sie ist stark genug, um dich in ihren Klauen zu halten. Plattgesicht ist mächtig und klug – sehr, sehr klug.« Dann rief die Tigerkatze zu der großen Eule hinauf: »Du hast recht, aber in der Wiege vom Jesuskind war eine Tigerkatze. Es war so kalt, und wir haben das Baby gewärmt.«
    »Kann schon sein. Menschengeschichten interessieren mich. Manche sind schön. Andere findet man auf Anhieb bescheuert. Leda und der Schwan. Da fragt man sich doch, warum sollte Zeus als Schwan eine Frau verführen?«
    »Wie recht du hast.« Pewter hatte beschlossen, den großen Vogel bei Laune zu halten.
    »Er wäre als Eule runtergekommen.« Plattgesicht behauptete dies voll tiefster Überzeugung.
    Die Eule spähte durch die Schlitze in der Kuppel.
    Auch die Katzen sahen die Hirschkuh und das Kitz vor Harry davonlaufen.
    »Gut, dass sie das gemacht hat« , sagte Mrs. Murphy.
    »Ein Kitz wird so oft getötet.« Plattgesicht verdrehte den Kopf in dem eigentümlichen Winkel, wie Vögel es können. »Sie hören den Schläger, der ihnen Angst machen und sie verscheuchen soll, aber Mama hat dem Baby gesagt, es soll bleiben. Sie läuft weg, meint, sie kann die Gefahr abwenden, und wumm! ist das Kitz von dem Gerät aufgeschlitzt. Wenn Harry das Kitz getötet hätte, wäre sie die ganze Woche am Boden

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