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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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nicht schwer. Als ich das Foto betrachte, bin ich doch erstaunt, wie wenig neutral mein neutraler Gesichtsausdruck aussieht.
    Eine Mumie auf Reisen.

    Im Zug. Ein Abteil ganz für mich allein! Gott sei Dank. Eine Weile habe ich im »Tibetischen Totenbuch« gelesen, nun schaue ich gedankenverloren der Landschaft dabei zu, wie sie an mir vorüberzieht.
    Der heutige Morgen ist noch nicht abgehakt. Elfis Worte, meine heftige Reaktion. Der Schmerz beginnt langsam wieder hochzukriechen.
    Nein, bitte nicht! Keine Tränen, nicht jetzt. Es hilft doch niemandem, wenn ich weine. Das bringt mir meine Familie ja nicht zurück.
    Meine Gedanken treten die Flucht nach vorn an .
    Ich muss mir Hilfe organisieren. Werde in Therapie gehen. Werde mich an Profis wenden, die mir helfen, den Schmerz auszuradieren, ehe er mich auffressen kann.
    Wer kann mir helfen? Hannah! Sie leitet seit Jahren die Supervision der Roten Nasen und arbeitet als systemische Therapeutin. Rasch hole ich mein Handy aus der Tasche.
    Eine Familienaufstellung, das wäre gut. Dabei könnte ich Helis Stellvertreter in die Arme fallen. Den Stellvertretern meiner Kinder sagen, wie lieb ich sie habe. Ja. Dort werde ich weinen. Dort, wo Helis Stellvertreter mich trösten wird und die Stellvertreter meiner Kinder, die Therapeutin und alle anderen Anwesenden, dort wird alles gut.
    Hannah hebt nicht ab. Was ich der Sprachbox mitteilen soll, will mir nicht einfallen, außerdem sitzt mir ein dicker Kloß im Hals. Die Landschaft vor dem Fenster hat auch keinen Rat für mich, also schließe ich die Augen.
    Mein Kopf denkt sich ein Bild aus. Eine Aufstellung. Ich, in Hannahs Seminarraum, gemeinsam mit drei Menschen ohne Gesicht. Stellvertreter: Thimo, Heli, Fini, dargestellt
von Fremden. In meiner Fantasie stelle ich die drei Toten in einer Gruppe zusammen. Eine unhörbare Stimme ermahnt mich:
    Du gehörst nicht zu ihnen. Du gehörst hierher, auf die andere Seite. Allein.
    In Gedanken mache ich mich bereit, Heli zu versichern, dass ich ihn liebe. Doch die Frau in meinem Kopf spielt das Spiel nicht mit. Sie brüllt stattdessen Helis Stellvertreter an.
    Warum hast du das getan!? Warum!? Ich bin so wütend auf dich!
    Entsetzt reiße ich die Augen auf.
    Was soll das? Ich bin doch nicht wütend auf Heli! Was fällt meinem Kopf ein, mir einen solchen Streich zu spielen?
    Die Tränen, die gerade noch als Kloß in meinem Hals steckten und endlich befreit über meine Wangen rinnen, begrüße ich erleichtert. Sie sind immer noch besser als blinde Wut.
    Ich werde doch lieber keine Aufstellung machen.
    Wo sind denn nur die Taschentücher?
     
     
    Der 31. März 2008, in Wien.
     
    »Mein Geburtstag findet nicht statt.«
    Darauf habe ich mich mit meinen Eltern geeinigt.
    Sie machen mir ein Geschenk, indem sie mich unbehelligt im Bett liegen lassen und die zahlreichen Geburtstagsanrufe abfangen. Für meinen Teil versuche ich inzwischen,
den Tag so schnell wie möglich vergehen zu lassen. Schlafen. Lesen. Wieder schlafen. Das funktioniert noch immer.
    Am Nachmittag klopft mein Vater vorsichtig an der Tür.
    »Du, am Telefon ist eine Journalistin. Sie will unbedingt mit dir reden. Bitte, sprich mit ihr, sie ruft schon seit drei Tagen immer wieder an.«
    »Muss das sein?«
    »Bitte.«
    Also gut.
     
    »Ja?«
    »Frau Pachl! Wie schön, Sie zu hören. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich Sie bewundere. Ich habe den Artikel über Sie in der Zeitung gelesen, und auch den Auszug aus Ihrer Mail. Könnten Sie sich vorstellen, den gesamten Text zu veröffentlichen, in unserer Zeitschrift? Er ist so tröstlich. Und sicher eine große Hilfe für andere Menschen, die trauern.«
    Hilfe? Das klingt gut. Mein Text hilft Menschen, während ich selbst nicht einmal weiß, wie mir zu helfen ist. Apropos Hilfe, da fällt mir doch etwas ein …
    Ich kenne die Illustrierte, um die es geht. Sie wirbt oft damit, dass sie notleidenden Personen hilft. Frauen helfen Frauen. Ein Netzwerk, auf das man zählen kann.
    »Ja, von mir aus können Sie den Text drucken. Glauben Sie, dass Ihr Netzwerk mich dafür ein wenig unterstützen kann, falls ich einmal Hilfe brauche?«
    Hilfe. Vielleicht vermittelt mir das Netzwerk ja eine gute Therapeutin. Obwohl – die habe ich ja schon. Vielleicht
ein Praktikum, als Regalbestückerin, falls ich die Arbeit als Clown irgendwann nicht mehr schaffe? Oder … keine Ahnung. Egal. Die Frauen vom Netzwerk werden schon wissen, wie sie mir helfen können, wenn es mir schon selbst nicht

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