Vier Naechte im Paradies
nun klar, wie lange sie geschwiegen hatte.
“Nein, nein, natürlich nicht. Du hast mir ja nun ausführlich erzählt, was du gemacht hast, was du alles gesehen hast. Aber wie ist es denn nun …”, Robin machte eine dramatische Pause, “ … mit den Männern? Du hast auf diesen Tagesausflügen doch sicher jemanden kennengelernt?”
Cindi lachte. “Ja, allerdings.”
“So so, und du hast bisher kein Wort davon gesagt. Das ist unfair, wo ich dir doch alles haarklein erzählen musste.”
Cindi lächelte vor sich hin. “Er heißt John Taylor. Er studiert in Yale und möchte mal Jurist werden. Wir hatten wirklich einen tollen Tag zusammen. Ich mochte ihn sehr. Und ich hatte das Gefühl, dass ich für ihn auch etwas Besonderes war. Ich kann es auch nicht erklären, aber manchmal trifft man jemanden, und schon nach kurzer Zeit hat man den Eindruck, man kennt sich ewig.”
“Ja, das kann ich mir vorstellen.”
Cindi zuckte leicht mit den Schultern. “Wir haben unsere Telefonnummern und Adressen ausgetauscht, aber ich werde nun nicht ewig am Telefon sitzen oder den Postboten abfangen. Wir hatten einen tollen Tag zusammen, aber ich werde nun ganz sicher nicht anfangen, mir die Zukunft rosarot auszumalen.”
“Ich auch nicht.”
Am nächsten Morgen wachte Robin auf und fühlte sich so anders als noch vor wenigen Tagen. Zu Beginn der Kreuzfahrt war es ihre größte Sorge gewesen, dass ihre Brüder sie nicht in Ruhe ließen. Die Robin von heute hatte sich mit einem Mann eingelassen, der einen äußerst gefährlichen Beruf hatte, der tausend Meilen entfernt wohnte und unter dessen Berührung sie erbebte. Beinahe hatte sie Angst vor ihren Gefühlen, hatte Angst, sich zu verlieren, bevor sie hatte herausfinden können, wer sie eigentlich war.
Als Cindi aufwachte, sagte sie ihr, dass sie Kopfschmerzen habe und den Tag lieber im Bett bleiben wolle. Morgen würden sie in Miami sein und von da aus nach Texas zurückfliegen.
Zu Hause würde sie dann entscheiden, was sie zu tun hatte.
Seit drei Tagen war Robin jetzt zu Hause. Heute war der erste Abend, an dem Cindi ausgegangen war, und so war Robin allein in ihrem Apartment. Sie holte Steves Karte aus ihrem Portemonnaie und las sie sich noch einmal genau durch. Dann legte sie sie neben das Telefon, nahm den Hörer ab und wählte Steves Privatnummer.
Sofort schaltete sich der Anrufbeantworter ein, und Steves Stimme sagte: “Bitte, hinterlassen Sie eine Nachricht.”
Im Grunde hatte sie auch nicht damit gerechnet, dass er schon wieder zu Hause war, obwohl er ja gemeint hatte, ohne sie wäre es auf der Insel nur noch halb so schön. Offensichtlich gefiel es ihm aber doch noch ganz gut da.
Sie räusperte sich. “Hallo, Steve, hier ist Robin. Ich rufe nur an, um dir zu sagen, dass alles in Ordnung ist. Das Leben läuft wieder ab wie üblich. Gestern hat das neue Semester angefangen. Dieses Frühjahr muss ich viel tun. Ich möchte dir noch einmal für deine Gastfreundschaft danken. Es war sehr schön, dich kennengelernt zu haben. Diese Ferien werde ich nie vergessen, und dafür danke ich dir.”
So. Das war hoffentlich harmlos genug. Sie wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als würde sie sich nicht mehr vom Telefon wegrühren, nur um seinen Anruf nicht zu verpassen.
Eine Woche ging vorbei.
Dann noch eine.
Und noch eine.
Sie hörte nichts von ihm.
Für sie hieß das eindeutig, dass alles gelogen war, was Steve Antonelli zu ihr gesagt hatte.
Und dabei hatte er sie beschuldigt, ihn als bloßen Urlaubsflirt benutzt zu haben. Da konnte sie ja nur lachen!
Kein Wunder, dass ihm das so leicht über die Lippen gekommen war, denn genau das hatte er die ganze Zeit über sie gedacht. Und sie war so dumm gewesen und hatte ihm geglaubt, als er von Hochzeit sprach.
Sie hatte ihm seine Ernsthaftigkeit voll abgenommen. Wie hatte sie nur so naiv sein können? Er hatte sich mit seinen Kumpeln bei der Mordkommission wahrscheinlich totgelacht.
Sie hätte ihn zahlen lassen sollen für all die Billard- und Pokerspiele, die er verloren hatte. Sie nahm die Karte noch einmal in die Hand, die er ihr geradezu aufgedrängt hatte, und schüttelte empört den Kopf.
Schluss mit Trübsal blasen, sagte sie sich, warf die Karte in den Papierkorb und verließ die Wohnung. Vielleicht sollte sie ins Kino gehen, ein paar Freunde besuchen, ein paar Partien Billard spielen. Auf keinen Fall würde sie zu Hause sitzen und darauf warten, dass Steve Antonelli anrief.
Der Mann war Geschichte
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