Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Und besonders Höflichkeit zwischen Gastgeber und Gast sei in dieser Kultur so tief verwurzelt, dass ein Gast immer unter dem Schutz des Gastgebers stand. Er durfte nicht angegriffen werden, auch wenn es sich um einen Todfeind handelte.
Guten Tag, entgegnete Herr Ajmal fast akzentfrei auf Deutsch und lächelte mich an. Das Eis war gebrochen.
Ich stellte schnell fest, dass es sich bei dem Kuddelmarkt um einen typischen Touristenmarkt handelte. Es wurden Teppiche, Holzfiguren, Schachbretter, Messer und haufenweise nachgemachte Elektronik aus Fernost angeboten. Ich entdeckte Kopfhörer mit der Aufschrift Zony und Turnschuhe mit den Namen Adidos oder Reebuck. Herr Ajmal verkaufte Kleidung, die er selbst genäht hatte, und Patches, die er auf großen Stofftafeln angebracht und vor seinem Geschäft aufgestellt hatte. Bei diesen Patches handelte es sich um kleine Stoffabzeichen, die man mit einer Klettfläche auf der Uniform anbringen konnte. Ich sah die Wappen verschiedener Einheiten, aber auch Karikaturen mit der Aufschrift »Hello Kitty Club Kundus« oder markige Sprüche wie zum Beispiel »Klagt nicht, kämpft« oder »Taliban Hunter Camp Kundus«. Viele neugierige Soldaten umringten die Ware.
Muli nahm mich zur Seite: Offiziell dürfen wir diese Patches nicht tragen, draußen wird es vom Chef geduldet. Aber nur, wenn die Patches nicht die Würde von irgendjemandem angreifen.
Auf dem Rückweg meinte Purzel: Ich schlage vor, dass wir direkt zum Mittagessen gehen.
Klar, sagte ich, für Essen bin ich immer zu haben.
Mir gefiel seine Art. Er sagte immer, dass er etwas vorschlug. Das war mir bisher gar nicht so genau aufgefallen. Aber diese Höflichkeit mochte ich sehr, und es deutete sich an, dass die Entscheidung für Purzel als Wohnpartner nicht die Schlechteste gewesen war.
Auf dem Weg zur Küche kreisten meine Gedanken um den Kuddelmarkt. Die Ware ist überwiegend Schund, sagte ich zu Purzel.
Hast du die schlechten Imitate gesehen?, witzelte er.
In Deutschland würde so etwas sofort dichtgemacht, bemerkte ich.
Dann sagte er etwas Interessantes:
Aber überleg mal, in welcher Situation wir hier sind. Die meisten hier verlassen niemals das Feldlager. Die Soldaten sind froh, wenn sie sich mal für fünf Minuten wie ein Tourist fühlen können. Scheißegal, was die da anbieten, das ist Kopfentspannung.
Als wir nach dem Essen wieder zu den Containern zurückkehrten, sahen wir, dass sich viele von uns bereits mit den Klettpatches eingedeckt hatten. Aber nur mit den Spaßigen. Einer aus der zweiten Gruppe hatte sich einen Berliner Bären auf dem Oberarm befestigt. Der Schriftzug »Berlin« zeugte mit großen Buchstaben von seiner Herkunft. Ein anderer hatte einen sandfarbenen Patch mit der bissigen Aufschrift »I fight for Merkel«. Jemand aus der zweiten Gruppe kam auf mich zu. Er hielt mir einen Patch hin, ein Krieger mit Rüstung war darauf zu sehen. Schweinefleisch essender Kreuzritter stand auf Englisch darauf.
Herr Ajmal muss einen Galgenhumor haben, dachte ich.
An diesem ruhigen Tag bekam ich noch Besuch von Mü. Er hatte einigen aus dem Zug befohlen, eine Abwesenheitstafel anzufertigen. Dazu war eine Metalltafel organisiert worden, die jetzt im Flur an der Wand hing. Alle Namen des Golf Zuges standen darauf und in verschiedenen Spalten waren die Orte notiert, an denen man sich im Feldlager aufhalten konnte. Wörter wie Küche, Kraftraum, Instandsetzung, Technischer Service, Kompanieführung, Kuddelmarkt und einige mehr waren dort zu lesen. Mü beauftragte mich, Magnete zu besorgen, damit sich jeder an der Metalltafel in die entsprechende Zeile eintragen konnte.
Ich hielt die Idee für sehr gut, hatte aber zunächst keine Ahnung, wo ich im Feldlager Magnete herbekommen sollte. Auf dem ziellosen Weg durchs Feldlager hielt ich bei der kleinen Halle an, in der ich schon einmal Batterien bekommen hatte. Der freundliche Feldwebel war nicht da, aber ein Untergebener von ihm schickte mich zu einer anderen Halle. Dort wäre die Feldlagerverwaltung untergebracht. Beim Blick über den langen Flur war ich erstaunt, wie viele Zivilisten auch hier in Afghanistan mit Verwaltungsaufgaben betraut zu sein schienen. Ich wurde sehr freundlich von einem Büro zum nächsten geschickt und hatte die Hoffnung, dass mir all die neuen Kontakte in Zukunft noch nützlich sein könnten.
Nach einigem Durchfragen landete ich schließlich in der Schlosserei. Ein freundlicher Herr mittleren Alters drückte mir einen ganzen Haufen Magnete
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