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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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an der mein Sohn aber nicht teilnehmen sollte. Mein Sohn wurde traurig, ging auf sein Zimmer und weinte. Ich habe versucht, mit seiner Lehrerin darüber zu sprechen, aber die glaubte mir nicht richtig und sah auch keinen Anlass, mit der Mutter des Mobbers zu sprechen, damit diese sich nicht unnötig Sorgen mache. Da auch mein Sohn von der Geschichte nichts wissen wollte, gab ich schließlich auf.
    Bis zum Alter von 18 Jahren hat er in einer Fußballmannschaft gespielt. Seine Leistungen waren gut, doch hatte er wohl in den letzten Jahren Schwierigkeiten, richtig in die Gruppe integriert zu werden.
    Bis zum letzten Jahr vorm Abitur war er ein guter Schüler, dann ging es mit seinen Noten bergab. Er wurde passiv, hatte kaum soziale Kontakte, verlor jegliche Motivation und beschäftigte sich fast nur noch mit Computerspielen. Dann kam die Militärzeit – er wollte auf die Unteroffiziersschule gehen. Da er zunächst eine Absage erhielt, hat sein Vater dort angerufen und erreicht, dass er doch noch angenommen wurde. Aber nach einem Monat fand er heraus, dass es dort nicht das Richtige für ihn war. Er kümmerte sich selbst darum, dass er seinen normalen Militärdienst ableisten konnte, was gut funktionierte. Dort war er gezwungen, Verantwortung zu übernehmen, und fühlte sich in diesem Milieu wohl.
    Aber dann kam er wieder nach Hause und sagte, er wolle sich ein Jahr freinehmen, um sich ein paar zusätzliche Qualifikationen zu erwerben. Wir bezahlten mehrere Tausend Euro, damit er zu diesem Zweck eine Privatschule besuchen konnte. Wir hatten natürlich gehofft, dass er es ernst meinte und später auch etwas damit anfangen könnte. Aber das freie Jahr verlief ganz anders, als wir uns das vorgestellt hatten.
    Er tat fast nichts dafür, um später einen Job zu bekommen. Wenn wir ihm passende Annoncen zeigten, die wir im Internet gesehen hatten, dann bewarb er sich dort pflichtschuldig. Ob er je eine Antwort auf diese Bewerbungen bekommen hat, weiß ich nicht.
    In diesem Jahr spielte er in seiner Freizeit fast nur noch Computerspiele mit Leuten auf der ganzen Welt, meist bis tief in die Nacht. Am Morgen schlief er dann lange und lief anschließend den ganzen Tag im Bademantel herum. Er machte die Nacht zum Tage und den Tag zur Nacht. Wir mussten mit ansehen, dass er spielsüchtig wurde. Wenn wir mit ihm darüber geredet haben, wurde es für kurze Zeit besser, eher er wieder in den alten Trott verfiel.
    Obwohl mein Mann und ich beide gearbeitet haben, hat er zu Hause kein bisschen geholfen. Wenn ich nach Hause kam, musste ich erst mal den Frühstückstisch abräumen, dann Essen machen oder Wäsche waschen. Er beklagte sich oft, dass ihm das Essen nicht schmecken würde, dass ich falsch eingekauft hätte und seinen kleinen Geschwistern keine Grenzen setzen würde. Wenn ich ihm antwortete, er könne doch selbst einkaufen gehen, lächelte er nur und verließ den Raum.
    Ich kaufte ihm sogar neue Kleider oder vereinbarte für ihn Zahnarzttermine. Bevor er auf der weiterführenden Schule begann, hatte er einen Sommerjob. In dieser Zeit wurde seine Laune erheblich besser. Auf der weiterführenden Schule hat er dann schwere naturwissenschaftliche Fächer belegt und wollte auf einer Hochschule in einer anderen Stadt studieren. Dort musste er sich zunächst für ein anderes Fach einschreiben, um überhaupt beginnen zu können, konnte dann jedoch wechseln. Ich habe damals eine Anzeige in die Zeitung gesetzt, damit er eine Wohnung bekam. Mein Mann und ich bezahlten Miete und Telefon. Der Beginn des Studiums war hart, weil seine Vorkenntnisse sehr lückenhaft waren. Nach ungefähr drei Monaten hörte er auf und kehrte nach Hause zurück.
    Wir Eltern haben inzwischen all unsere Energie verloren, sind ratlos und verzweifelt. Was haben wir nur falsch gemacht? Ist unsere Unterstützung in all den Jahren vergeblich gewesen? Wir haben stets unsere eigenen Bedürfnisse zurückgestellt, damit unsere Kinder es einmal besser haben, als wir es hatten. Unser Sohn durfte immer das machen, was er wollte. Wir haben ihn stets ökonomisch unterstützt, ihm geholfen und ihm viel Liebe und Fürsorge zukommen lassen.
    Wie sollen wir unseren Sohn jetzt stützen, damit er in die richtige Spur kommt? Er hat kaum Freunde, geht fast nie aus. Zumindest raucht und trinkt er nicht. Er hat auch schon seit längerer Zeit keine Computerspiele mehr gespielt und mir gesagt, er wolle sich auch keinen neuen, besseren Computer anschaffen, damit er nicht wieder zu spielen

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