Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
Sie sehr konkret denken und reden und zu der Ansicht neigen, es gäbe nur eine Wahrheit. Das kann bedeuten, dass Sie oft so sehr auf den Inhalt der Diskussionen fixiert sind, dass Sie die »Begleitmusik« und damit die Folgen für den Gesprächspartner und Ihre Beziehung zu ihm vergessen.
Falls dies zutrifft, existiert ein wichtiger ungeklärter Konflikt zwischen Ihnen und Ihrer Frau, und Ihre Frau missbraucht gewissermaßen Ihren Sohn, um diesen Konflikt zum Vorschein zu bringen. Zu Beginn Ihrer Ehe hat sie vermutlich des Öfteren versucht, Sie darauf aufmerksam zu machen, doch irgendwann hat sie resigniert und es aufgegeben, über ihren eigenen Schmerz zu sprechen.
Stattdessen spricht sie nun über den Schmerz Ihres Sohnes, womit sie die Situation für alle drei beteiligten Personen verschlimmert.
Das führt dazu, dass ihre eigene Einsamkeit sowohl Sie als auch Ihren Sohn »ansteckt«. Das ist weder historisch noch aktuell Ihre »Schuld«, doch tragen Sie und Ihre Frau die Verantwortung dafür.
Eine Liebesbeziehung zwischen zwei Erwachsenen kann dazu führen, dass die »negativen« Seiten beider Partner sich verstärken, verschwinden oder unverändert bleiben. Ich vermute, dass die typisch weiblichen Seiten Ihrer Frau und Ihre typisch männlichen Seiten nicht Nähe geschaffen, sondern den Abstand zwischen Ihnen vergrößert haben, und dafür sind Sie beide gleichermaßen verantwortlich. So wie die Dinge derzeit liegen, haben Sie die Rolle des»bad guy« inne, und Ihre Frau (über)lebt in ihrer privilegierten Rolle als fürsorgliche Sanitäterin der Familie, was eine unhaltbare Situation ist – vor allem für Ihren Sohn, der sich inmitten eines Konflikts befindet, mit dem er eigentlich nichts zu tun hat.
Die meisten Eltern sind in etwa 15 bis 20 Jahre zusammen, wenn ihre Kinder aus der Pubertät kommen. Dabei machen sie verschiedene Entwicklungen und Krisen durch. Die Entwicklung, in der die Familie sich wieder auf zwei Erwachsene reduziert, ist in emotionaler Hinsicht nicht immer einfach. Für manche Eltern ist es schwierig, den Raum zu füllen, den vorher die Kinder besetzt haben.
Für andere ist es eine große Entlastung, jetzt mehr Zeit für sich selbst zu haben. Manches deutet darauf hin, dass Sie in den letzten Jahren viele Konflikte, die Ihre Beziehung als Paar betreffen, übersehen oder unterdrückt haben. Wir Männer sind oft genügsamer als die Frauen und eher dazu bereit, Schmerz und Einsamkeit zu verdrängen.
Es gilt also, sich als Paar auseinanderzusetzen und die Beziehung eventuell neu zu definieren.
Als begleitende Maßnahme schlage ich vor, dass Sie ein paar Gespräche mit Ihrem Sohn darüber führen, wie er Ihre wechselseitige Beziehung empfindet (ohne diese mit der Beziehung zu seiner Mutter zu vergleichen). Warten Sie ab, bis Sie beide unter sich sind, und sagen Sie etwa Folgendes: »Es tut mir leid, dass du so oft zwischen mich und deine Mutter gerätst. Deshalb ist es wichtig für mich zu hören, wie du unsere Beziehung wahrnimmst. Ich würde gerne von dir hören, was du an mir als Vater am besten findest und was meine drei schlechtesten Eigenschaften sind.«
Lassen Sie ihm genug Zeit, um eine Antwort zu finden, und wiederholen Sie das Gespräch ruhig ein paarmal. Vielleicht kann Ihnen Ihr Sohn etwas Wichtiges über sich selbst beibringen, das Ihre Frau Ihnen nicht auf konstruktive Weise vermitteln konnte.
Wenn Sie jetzt beim Lesen den Eindruck gewinnen, mit Ihnen sei »etwas nicht in Ordnung« – dann lesen Sie alles noch einmal!
Im Moment können Sie mit Ihrem Schmerz verantwortlicher umgehen als Ihre Frau, doch gibt es sicher auch Phasen in Ihrem Leben, in denen das Gegenteil zutrifft.
Undank ist der Welt Lohn
Ich bin Mutter eines 21-jährigen Sohnes, der in den letzten Jahren Schwierigkeiten hatte, den Anforderungen des Lebens gewachsen zu sein. Als Baby hatte er Koliken und hat viel geschrien. Als er älter wurde, war er sehr aktiv und hatte ein ausgeprägtes Temperament, war zugleich aber sehr empfindsam. In der Grundschule hatten wir den Verdacht, dass er gemobbt wird, doch wollte er sich nicht dazu äußern. Mein Sohn war der Kleinste in der Klasse, und ich habe beobachtet, wie ein anderer Junge ständig Bemerkungen darüber machte.
Einmal, als mein Sohn Geburtstag hatte, hat er alle Jungen aus seiner Klasse eingeladen, auch denjenigen, der ihn gemobbt hat. In diesem Zusammenhang habe ich mitbekommen, dass der Mobber mit den anderen Kindern eine Aktivität vereinbarte,
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