Vier zauberhafte Schwestern
Riesenschnecken, die Brennnesseln mampften!
Phil kniff die Augen zusammen. War das wirklich möglich? Er stieg von seinem Fahrrad, legte es auf den Boden und ging auf die Schnecken zu. Seine Augen begannen zu leuchten und seine Kinnlade fiel herunter. Er gab einen komischen Laut von sich, eine Art erstauntes »Äh?«.
Dann sagte er: »O mein Gott! Himmel! Beim Barte meiner Großmutter!« Und er beugte sich über den immer noch glimmenden Kreis aus Asche auf dem Boden und hob eine der riesigen Schnecken hoch.
Er hielt sie sich dicht vors Gesicht.
»Wo um alles in der Welt bist du nur hergekommen?«, fragte er. »Bist du das, von dem ich glaube, dass du es bist?«
Die Schnecke blickte schleimig und schweigsam zurück.
Phil wurde schlagartig aktiv. Es galt keine Zeit zu verlieren. Innerhalb von Minuten hatte er die Schnecken auf dem Feldweg fotografiert, eingesammelt und sicher in seinen Gläsern und Kanistern verstaut. Wenn er sie in dem verkohlten Kreis gelassen hätte, hätten sie schon bald alle Nesseln aufgefressen und wären hungrig geworden. Und dann hätten sie sich ihren Weg über das verbrannte Gras gesucht, um Futter zu finden. Womöglich hätte er sie nie wieder gefunden!
Er sah sich um. Weit und breit war niemand zu sehen. Nur Bäume, Felder, eine riesige rote Backsteinmauer und eine kleine Pforte.
Phil wusste, dass diese Art Schnecken in der Region normalerweise nicht vorkam. Wer hatte das Gras verbrannt? Und wie um Himmels willen waren die Schnecken hierher gelangt?
Phil konnte nicht weiter darüber nachdenken. Er hatte im Moment Wichtigeres im Kopf. Während er wie wild in die Pedale trat und zur Universität zurückradelte, dachte er darüber nach, wo er die Schnecken unterbringen konnte. Und er dachte darüber nach, was er der Presse sagen würde.
Das war eine echte Entdeckung! Jawohl! Damit würde sein Stern am Malakologenhimmel aufgehen. Die Entdeckung würde ihn berühmt machen – ihn, Dr. Phil Lemon!
Währenddessen saßen die vier Schwestern auf der Terrasse, aßen belegte Brote und großzügig bemessene Stücke Kuchen und tranken selbstgemachte Limonade.
Dann war es Zeit für ihre Probe. In wenigen Tagen würden sie gemeinsam beim Schulkonzert auftreten. Ihre Schule, die Drysdale, nahm am
Landesweiten Musikwettbewerb der Schulen
teil. Acht Schulen aus dem Umkreis wetteiferten um die Regionalmeisterschaft, die ihnen den Einzug ins Finale sichern würde. Die Jury hatte sich bereits Konzerte an allen übrigen sieben Schulen angehört und am Freitag würde endlich die Drysdale an der Reihe sein. Nach dem Konzert sollte die Entscheidung fallen, welche Schule die beste der Region war. Die Musiker der Gewinnerschule würden am Ende des Schuljahres zum Finale nach London reisen.
An der Drysdale hoffte man auf den Sieg, denn schließlich waren etliche ausgezeichnete Musiker und Sänger unter den Schülern, darunter auch die Cantrip-Schwestern. Davon abgesehen, dass sie hofften, den Wettbewerb zu gewinnen, hätten sie es toll gefunden, ein Wochenende in London zu verbringen.
Die Musik war ein bedeutender Teil des Lebens auf Cantrip Towers. Ottalie Cantrip war eine begnadete Pianistin und Sängerin und eine angesehene Dozentin. Sie gab Klavierstunden und unterrichtete an der Drysdale. Sie war außerdem eine der Organisatorinnen des Musikwettbewerbs. Ihre Töchter hatten ihr musisches Talent geerbt und spielten alle mehrere Instrumente.
An diesem Sonntagabend waren die Schwestern sehr nervös und hatten die Schnecken bald vergessen. Ihnen blieben nur noch fünf Tage bis zum Konzert. Es würde das erste Mal sein, dass sie zu viert auf der Bühne standen – und es galt, sich unter den Stars des Abends zu behaupten.
Sie setzten sich zur Probe in den Salon. Fünf Notenständer und Stühle warteten auf sie, einer für jedes Mädchen und einer für Mum, die sie dirigierte.
An diesem Abend saßen Dad und Grandma auf dem großen cremefarbenen Sofa und hörten zu. Bert lauschte ebenfalls, er saß auf Grandmas Schoß. Die ganze Familie liebte den Raum mit seinen hellen taubenblauen Wänden, an denen etliche wunderschöne Gemälde hingen, mit seinem offenen Kamin und dem riesigen Regal, das mit Büchern vollgestopft war.
Sky führte ihre silberne Querflöte zum Mund und spielte behutsam die ersten Töne ihres Quartetts. Ihr Blick versprach, dass sie sich jeden Moment vom weichen, schwebenden Klang der Flöte wegtragen lassen würde.
»Konzentriere dich, Sky!«, sagte Mum lächelnd.
Sky
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