Vier zauberhafte Schwestern
sie hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, und ihre Karten fielen auf den Tisch.
»Marilyn, ist alles in Ordnung mit dir?« Joan sah ihre Freundin, die schneeweiß geworden war und sich an der Tischkante festhielt, bestürzt an.
»Grundgütiger!«, rief Kenneth und sprang auf. »Du klapperst ja mit den Zähnen! Komm und setz dich aufs Sofa, altes Mädchen.«
Er half Grandma von ihrem Stuhl auf und führte sie vorsichtig zum Sofa. Maude fuhrwerkte geschäftig mit einer Decke um sie herum.
»Hier, trink das. Es wird dich aufwärmen«, sagte Joan und drückte Grandma ein Glas Brandy in die Hand.
Grandma nahm einen kleinen Schluck. »Danke«, sagte sie. Sie zitterte am ganzen Körper.
»Ich denke, wir bringen dich besser nach Hause«, schlug Kenneth vor. »Ich werde dich zurückfahren.«
Grandma war einverstanden. Sie wollte kein Bridge mehr spielen oder mit irgendjemandem reden, auch wenn es sich um ihre engsten Freunde handelte. Sie wollte allein sein, um nachzudenken und ihre Kräfte zu sammeln.
Maude und Kenneth sorgten dafür, dass Grandma sicher nach Hause kam. Mum öffnete ihr die Tür und hätte am liebsten sofort den Arzt gerufen. Sie hatte ihre Schwiegermutter, eine kerngesunde und lebhafte Frau, noch nie in einem solchen Zustand gesehen.
Aber Grandma war nicht zu überzeugen. »Nein, kein Arzt bitte, meine Liebe. Mir geht es gut – wirklich. Ich muss mich nur ein wenig ausruhen.«
Mum half Grandma die Treppe hinauf und führte sie in ihr Schlafzimmer. Grandma legte sich auf das Bett, und Mum deckte sie zu. Dann kam Bert herein und legte sich zu ihr.
»Ich mache mir Sorgen um dich«, sagte Mum.
Grandma schloss die Augen. »Ich brauche nur ein wenig Ruhe.«
Mum zog die Vorhänge zu. »Ich bin bald zurück«, sage sie sanft.
Eine Stunde später öffnete Grandma die Augen und blickte sich in dem cremefarben gestrichenen Raum um. Die üppigen geblümten Vorhänge, das große, weiche Bett, der Frisiertisch, den Sheldon ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Sie liebte diesen Raum. Hier fühlte sie sich sicher.
Wir fühlen uns alle sicher auf Cantrips, dachte sie. Hier wird uns nichts passieren – aber die Welt da draußen, das war etwas anderes.
Während sie auf dem Bett lag, ging Grandma die Ereignisse der Woche im Kopf durch. Sie erinnerte sich daran, wie sie am Sonntagnachmittag im Garten gesessen hatten und der Schatten über sie hinweggezogen war. Seitdem hatten sie die Kälte und das Zittern nicht mehr verlassen. Panik war in ihr aufgestiegen, als sie den Namen Glenda gehört hatte. Und dann war da noch das Gefühl, beobachtet zu werden.
Meine alte Rivalin Glenda, dachte Grandma. Sie ist zurück.
Erinnerungen zogen an Grandmas innerem Auge vorbei. Sie sah sich selbst auf der Bühne, tanzend, Pirouetten drehend und durch die Luft springend. Oh, wie sie das Tanzen geliebt hatte!
Ich war eine wunderbare Tänzerin, dachte sie. Ich hatte echtes Talent.
Sie dachte an Sheldon und daran, wie er sie von seinem Theatersitz aus angelächelt hatte, an ihr erstes gemeinsames Abendessen und wie ihnen klargeworden war, dass sie miteinander verwandt waren. Wie sie gelacht hatten, wie sehr sie ihn geliebt hatte und was für ein wundervolles Leben sie miteinander geführt hatten. Und sie war glücklich, während sie so auf dem Bett lag.
Doch ihre Stimmung wurde schwermütig, als sie daran dachte, wie Glenda beinahe ihre Karriere ruiniert und versucht hatte, ihre Beziehung zu Sheldon zu zerstören. Die Art, wie Glenda bei jedem Schritt mit ihr im Wettstreit gelegen hatte, ihre Eifersucht und Missgunst und wie sie versucht hatte, den Geist des Ensembles zu untergraben. Sie zitterte bei dem Gedanken an ihren Kampf in der dunklen Gasse und wie sie Glenda verletzt hatte. Seit dieser Nacht war die Magie nicht in ihre Finger zurückgekehrt. Sie hatte ihre Kräfte verloren, aber sie hatte Glenda aufgehalten. Oder etwa nicht?
Ich frage mich, ob Glenda ihre Kräfte noch hat, dachte sie.
Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es so war.
Ein paar Minuten lang war Grandma starr vor Angst, weil sie fürchtete, dass großes Leid auf ihre Familie zukommen könnte. Sie fragte sich, ob Glenda wusste – aufgrund ihres sechsten Sinnes ahnte –, dass die vier Schwestern die Cantrip Kräfte geerbt hatten. Falls dem so war, würde sie versuchen, den Mädchen ihre Kräfte zu nehmen, da war Grandma sich sicher. Sie würde dafür sorgen, dass alle Welt von den magischen Kräften der Cantrip-Schwestern erfuhr und sie auf
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