Vier Zeiten - Erinnerungen
ganz anders. Wir fuhren nach Elverum, nahe der schwedischen Grenze. Dort hatte sein Vater, der damalige König Haakon im April 1940 ein Notquartier bezogen, als die Deutschen Norwegen überfallen hatten. Hier erreichte ihn die ultimative Aufforderung der deutschen Regierung, er solle eine norwegische Marionettenregierung unter Vidkun Quisling einsetzen. In Anwesenheit seines Sohnes Olaf, des damaligen Kronprinzen, antwortete er nur mit dem einfachen, geradeheraus gesprochenen Wort »Nein«. Damit hatte er seinem Volk aus
dem Herzen gesprochen. Ihm zu Ehren errichteten die Norweger später in Elverum ihren historischen Freiheitsobelisk und gaben ihm den Namen: »Das Nein des Königs«.
Dreiundvierzig Jahre waren vergangen. Der Kronprinz war König, dreiundachtzig Jahre alt, mein Gastgeber. Als wir nach Elverum kamen, führte er mich mit den Worten zum Denkmal: »Hier hat mein Vater das Nein des Königs gesprochen. Hier will ich zu Ihnen und Ihrem Land heute das Ja des Königs sagen.« - Ein großherziger, bescheidener Mann hatte gesprochen, so einfach und seiner selbst so gewiß wie sein Vater. Es war einer der ernsten Augenblicke, für die man lebenslang dankbar bleibt.
Auch die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland trug maßgeblich zu einer guten Atmosphäre zwischen unseren Ländern bei. Sie reiste mit uns in den hohen Norden nach Tromsø. Gemeinsam besuchten wir die Stätte, die an den Untergang des deutschen Kriegsschiffes »Tirpitz« erinnert. Frau Brundtland erläuterte uns die Probleme der Nato an ihrer Nordflanke gegenüber der Sowjetunion.
Mit ihrer Energie, ihrem Mut und ihrer Wärme warb sie bei ihren Landsleuten für Europa und bei den Europäern für die südliche Hemisphäre der Welt. Sie hat damit das Ansehen nicht nur Norwegens, sondern Europas in der ganzen Welt gestärkt.
Auf der Nordreise begleitete uns auch ihr Mann, ein scharfsinniger politischer Analytiker. In ihren Ansichten bildeten die beiden zusammen eine Art politischer und familiärer großer Koalition. Als Frau Brundtland von ihrem Vorgänger aufgefordert wurde, für das Amt der Ministerpräsidentin zu kandidieren, antwortete sie, das müsse sie der Kinder wegen mit ihrem Mann besprechen. Auf ihre Frage an diesen, ob er bereit sei, die Verantwortung für Kinder und Haushalt zu übernehmen, erbat er sich Bedenkzeit. Am nächsten Morgen sagte er, er sei dazu willens, wenn sie verspreche, ihm zu Hause überhaupt nicht dazwischenzureden, sowenig wie er, der politisch rechts von ihr stand,
Einfluß auf ihr Amt suchen werde. Das haben uns die beiden auf der Nordreise ausführlich erzählt. Es ist ihnen gut gelungen.
Als zentrale Aufgabe folgte der Besuchsaustausch mit Israel. Die Beziehungen zwischen unseren Ländern hatten sich zwar kontinuierlich verbessert. Adenauer, Brandt und Kohl waren als willkommene Gäste in Jerusalem empfangen worden. Deutsche Staatsbesuche aber hatte es auf israelischem und deutschem Boden bisher noch nie gegeben. Nun wurde ich dazu eingeladen.
Mehrfach zuvor war ich nach Israel gereist. Ich hatte meinen alten Berliner Schulfreund Gerhard Nassau in Safed und die Kibbuzim aufgesucht, in denen zwei unserer Kinder längere Wochen hart mitgearbeitet und Freundschaften geschlossen hatten. Bei der Trauerfeier für Ben Gurion hatte ich 1973 gemeinsam mit Hans-Jochen Vogel und Carlo Schmid unser Land vertreten. Im Gedächtnis ist mir das Bild der damaligen Ministerpräsidentin Golda Meir geblieben. Mit ihrer mächtigen Gestalt stand sie während der dreistündigen Trauerfeier auf dem Platz vor der Knesset regungslos und ganz für sich allein, wie ein alttestamentarisches Standbild aus Granit, unverrückbar wie der Lebenswille ihres Landes. Auf dem Rückflug feierten wir gerade den Geburtstag von Carlo Schmid, als ein ohrenbetäubender Knall ertönte. Über der Adria hätte uns ein italienisches Jagdflugzeug um ein Haar gerammt.
Auf einer späteren Reise sollte ich für Mäßigung des Streites zwischen dem Ministerpräsidenten Menachem Begin und Kanzler Schmidt beitragen, der von beiden Regierungschefs mit der ihnen eigenen unnachgiebigen Härte ausgetragen wurde. Begin hörte sich mein Anliegen ebenso liebenswürdig wie taub an, was überdies meinen Respekt vor ihm durchaus nicht minderte, auch wenn ich die Sache von Schmidt vertrat.
Unsere nahen Freunde, der ehemalige Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik, Yohanan Meroz, und seine Frau Yael, lebten in Jerusalem. Mit Teddy Kollek,
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