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Vier Zeiten - Erinnerungen

Titel: Vier Zeiten - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard von Weizsäcker
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zählen. Es gehörte stets zu den größten Freuden, in beinahe jedem der vielen von uns besuchten Länder auf die Dankbarkeit und Treue dieser Stipendiaten zu stoßen.
    Die Gastgeberaufgaben in den beiden Residenzen hatten zwei deutliche Schwerpunkte. Gemäß dem hohen Anteil der auswärtigen Beziehungen an der eigenen Arbeit ergab sich der eine durch die Besucher aus dem Ausland. Der andere konzentrierte sich auf kulturelle Abende und auf die Würdigung von Verdiensten eigener Landsleute aus allen Lebensbereichen. Im Präsidialamt war bei der Konzeption der Veranstaltungen Erich Milleker der entscheidende Mann; ich hatte ihn aus dem Kanzlernachlaß von Helmut Schmidt »geerbt«. Er hatte eine sichere künstlerische Übersicht und ein weitverzweigtes Netz persönlicher Beziehungen. Zusammen mit dem bewährten Protokollchef des Amtes, Horst Arnold, sorgte er für eine ebenso kreative wie zügige Planung und Organisation. Es kam zu unvergeßlichen Ereignissen, getragen von jungen unbekannten ebenso wie von weltberühmten Künstlern.
    Regelmäßig im Dezember kamen die jugendlichen Preisträger des deutschen Musikrates zu einem ihrer ersten öffentlichen Konzerte in das Schloß Bellevue. Die Geiger Gidon Kremer und Pinchas Zukerman, der Bratschist Juri Baschmet, der Cellist Yo Yo Ma, der Pianist Anatol Ugorski musizierten bei uns. Dame Gwyneth Jones, Sopranistin aus Großbritannien, kam mit dem Berliner Altus Jochen Kowalski, um eine von dem Musikschriftsteller und Kritiker Klaus Geitel inspirierte kleine Schloßmusik »O Fortuna« darzubieten. Dietrich Fischer-Dieskau gab eine Matinee über »Die menschliche Stimme«. Die Cembalistin Edith Picht-Axenfeld gestaltete zusammen mit dem Anglisten Wolfgang Clemen ein Programm zu »Shakespeare und die Musik«. In Salzburg sind die Wiener und die Berliner Philharmoniker Konkurrenten. Bei uns im Bellevue aber spielten Solisten aus
ihrer beider Reihen unter der Leitung von James Levine aufs schönste zusammen. Die Fülle und Qualität der Darbietungen kann ich ebensowenig beschreiben wie die Freude unserer zuhörenden Gäste.
    Schon aus meiner Zeit als Bürgermeister hatte ich einen engen und freundschaftlichen Kontakt mit dem Berliner Philharmonischen Orchester. Nun machte es mich mit seiner Bereitschaft dankbar, alljählich ein »Benefizkonzert des Bundespräsidenten« zu geben. Gegen Gotteslohn kam es zu bedeutenden musikalischen Ereignissen. Schon vor dem Herbst 1989 war eines dieser Konzerte mit der Missa Solemnis von Beethoven geplant. Es kam dann unmittelbar nach Vollendung der staatlichen Einheit im Oktober 1990 zur Aufführung. Daniel Barenboim dirigierte zugunsten jüdischer Grabstätten in Berlin. Er ist ein alter naher Freund. Seit langem ist er einer der prägenden Inspiratoren des Berliner Musiklebens und ein großherziger, verantwortlich denkender, zum Guten mahnender Partner in der Hauptstadt. Als die Mauer fiel, kam er sofort und musizierte mitten unter uns. Dann beteiligte ich mich an der erfolgreichen Konspiration, ihn als Chef der Berliner Staatsoper Unter den Linden zu gewinnen. Dort hat er die Staatskapelle zu neuen Höhen geführt, allen gewaltigen materiellen Schwierigkeiten zum Trotz. Bei »meinem« Benefizkonzert wirkten auf seine Einladung Julia Varady, Waltraud Meyer, Siegfried Jerusalem und Dietrich Fischer-Dieskau mit. Der Erfolg war überwältigend.
    Einmal habe ich bei Barenboim auch selbst mitmusiziert. Zu seinem fünfzigsten Geburtstag durfte ich in einem winzigen Chor unter der Leitung von Zubin Metha mitsingen. Es war eine neue Komposition, vom Blatt zu singen, und mein einziger Baritonkollege, ein Opernweltstar, sang zwar ungleich schöner als ich, verpaßte aber zweimal den richtigen Einsatz nur dank meiner stillen Püffe nicht.
    Zum Glück für mich hatte ich auch die Chance, dem Orchester einen Dienst zu erweisen. Mit Millekers tatkräftiger Hilfe
gelang es mir, zwei der herausragenden Maestros unserer Zeit für Benefizkonzerte in Berlin zu gewinnen. Der ältere von beiden war Sergiu Celibidache. Er stammte aus Rumänien und war durch seinen Lebensweg beinahe ein echter Berliner geworden. Aufgrund seiner engen Zusammenarbeit mit Wilhelm Furtwängler hatte er in der Zeit der Not die Leitung des Berliner Philharmonischen Orchesters übernommen, die er bis 1952 behielt. Dann trennten sich die Wege auf schmerzliche Weise. Seit seinem letzten Konzert hatte er nie wieder Kontakt mit dem Orchester. Und nun, nach achtunddreißig grollenden Jahren

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