Vierbeinige Freunde
und seine Feindschaft wuchs nur mit jedem Tage.
Als ich wieder einmal das Gehege betrat, lief Waska mir nach und überschritt dabei, ohne es selber zu merken, die unsichtbare Grenze, die ihr Gehege teilte. Wie ein Wirbelwind fiel Loska über ihn her, warf ihn über den Haufen und fing an, ihn mit den Hufen zu schlagen. Waska, betäubt, blieb hilflos liegen. Vergeblich versuchte ich, ihm beizustehen, weder mein Schreien noch die Schläge des Wächters, der mir zu Hilfe eilte, vermochten irgend etwas auszurichten. Loska, vor Wut rasend geworden, hörte und spürte nichts. Endlich gelang es Waska, sich zu erheben. Verfolgt von Loska, ergriff er die Flucht. Der Ärmste war so verwirrt, daß er gar nicht versuchte, sich zu verteidigen; er war nur bestrebt, den Hufschlägen auszuweichen, und schrie jämmerlich. Waren es diese Schreie, oder hatte er sich selbst genügend ausgetobt, jedenfalls ließ Loska von ihm ab, nachdem er ihn in das Häuschen getrieben hatte. Nach diesem Ereignis hielt er Waska ständig in Angst und Schrecken: Er nahm beide Krippen und das ganze Gehege für sich in Anspruch, ließ ihn immer nur für einige Augenblicke ans Futter und schlug ihn oft mit seinen Hufen. Bei schlechtem Wetter jagte er ihn aus dem Haus hinaus und bei gutem in das Haus hinein.
Armer Waska! Von Loska in Schach gehalten, widersetzte er sich gar nicht, gehorchte ihm in allem und bekam trotzdem immer wieder etwas ab, besonders, wenn er sich mir zu sehr näherte. Waska hatte es sich sogar angewöhnt, schon bei meinem bloßen Anblick davonzulaufen.
Im Laufe des Sommers war Loska sehr gewachsen. Er war so groß, daß er mit Leichtigkeit über die Einzäunung des Geheges setzte, und deshalb bekam er ein anderes Gehege. Das neue Gehege war viel schöner. Es bestand aus Strauchwerk und Gras und bot viel Platz zu Spiel und Bewegung. Es hatte nur den einen Nachteil, daß es sich am anderen Ende des Parkes befand und daß ich daher viel seltener hinkommen konnte. Das gefiel Loska gar nicht. Er war gewöhnt, mich fast den ganzen Tag zu sehen, und sehnte sich jetzt sichtlich nach mir.
Dafür war aber auch die Freude um so größer, wenn ich kam. Er wich nicht von meiner Seite, rieb seine Schnauze an mir und zupfte mich wie früher zärtlich mit seinen Lippen an der Backe. Manchmal fing er auch zu spielen an: Er suchte sich einen Feind (ein Spänchen, ein Bröckchen Erde, einen Zweig) und stürzte sich auf ihn, schlug ihn mit den Hufen, trampelte auf ihm herum und lief dann plötzlich mit langen, gleitenden Schritten ins Gehege hinaus, wo er sich dann lange tummelte. Das machte er meist frühmorgens, wenn noch keine Besucher da waren und ihn niemand dabei störte. Die übrige Zeit des Tages lag er still da oder spazierte im Gehege umher.
Das Ende
So war der Herbst vergangen, und es war Winter geworden. Im Winter wurde mein kleiner Junge krank. Ich ging nicht zur Arbeit, sondern blieb zu Hause. Loska grämte sich nach mir. Er lief im Gehege umher und blökte. Nach einigen Tagen rief man bei mir an und sagte mir, daß Loska nicht mehr fräße. Ich ging in den Zoologischen Garten. Loska erkannte mich sofort am Schritt und am Knirschen des Schnees. Er sprang auf, stürzte zuerst mir entgegen und dann zu seiner Krippe hin und fraß lange und gierig. Ich schlich mich leise davon, immer bestrebt, von Loska nicht gesehen zu werden. Als ich mich ein letztes Mal umschaute, sah ich gerade, wie Loska zum Gitter hinsprang, und hörte noch geraume Zeit sein langgezogenes Schreien.
Jetzt fingen meine Qualen an: Zu Hause das kranke Kind, und im Zoo rührte Loska in meiner Abwesenheit kein Futter an. Er fraß nur, wenn ich erschien. Erst stürzte er zu mir hin, dann zur Krippe. Er hielt sich nur noch in dem Teil des Geheges auf, von dem aus er mich zuletzt gesehen hatte. Eine Vertiefung im Schnee zeigte, daß er hier auch schlief; der bis auf einen kleinen, getretenen Pfad ringsum glatte Schnee ließ erkennen, daß sich Loska auch nirgendwohin weiter entfernte, auch nicht zur Krippe. Der Schnee um diese herum war frisch und unberührt.
Loska hungerte. Seine Seiten waren eingefallen, das glatte Fell war struppig geworden, und man konnte alle seine Rippen zählen. Mit jedem Tage verschlimmerte sich sein Zustand. Seine Lagerstatt vertiefte sich infolge der Schwere seines Körpers, während der kleine Spurenpfad immer kürzer wurde.
Und so kam der Tag, an dem sich Loska nur noch mit Mühe, auf seinen mageren Beinen schwankend, aufrichtete. Die Beine
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