Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
stopfen und alles runter zum Auto bringen. Dann muss sie raus hier, dann bleibt ihr nichts anderes übrig. Wenn sie keine Zahnbürste mehr hat und keine Bettdecke und keine Klamotten und keinen Computer mehr … und wenn nichts mehr im Kühlschrank ist, dann muss sie raus hier. Bestimmt können wir ein paar Tage bei Freunden übernachten … oder bei meinen Eltern. Oder wir gehen ins Hotel, ich habe doch das Geld von Strauss. Weiche Betten und Frühstücksbuffet, jeden Tag neue Handtücher. Vielleicht sollte ich einfach …
Da sind Schritte, draußen im Gang. Ich richte mich auf dem Sofa auf und starre Richtung Wohnungstür. Metall auf Metall, der Schlüssel findet das Schloss, wird gedreht. Und dann geht die Tür auf.
„Hallo Lena. Wie geht’s?“
Paula grinst mich an. Es ist ein lakonisches, abwartendes Grinsen, abgeschmeckt mit einer Prise Vorwurf. Sie wirkt nicht erstaunt, mich hier zu sehen.
„Wie soll es mir schon gehen. Nicht so besonders.“
„Aha.“
Paula geht ins Badezimmer. Sie wäscht sich die Hände, ich höre das Wasser rauschen. Nach etwa einer halben Minute kommt sie wieder ins Wohnzimmer, holt sich einen der Küchenstühle und setzt sich zwei Meter vor mich.
„Warst du unterwegs?“, frage ich.
„Ja“, antwortet Paula, „… hab die Runde durchs Haus gemacht. Muss noch den Bogen ausfüllen.“
Paula schaut rechts an mir vorbei, Richtung Fenster. Sie sieht müde aus.
„Wie geht es dir?“, frage ich. Plötzlich richtet sie sich auf, spannt ihren Körper.
„Wie es mir geht? Die Frage ist doch wohl eher, wie es dir geht. Du bist letzte Nacht fast durchgedreht und hast mir erst ins Ohr gebrüllt und dann wieder was von Gespenstern erzählt.“
„Ich mein ja nur … ich dachte ...“
„Denk nicht so viel, Lena.“ Und nach einigen Sekunden: „Was willst du jetzt von mir?“
„Ich will nur, dass du mir zuhörst.“
Sie lehnt sich im Stuhl zurück und verschränkt die Arme.
„Fängst du jetzt wieder mit deinen Geschichten an?“
„Bitte Paula, hör mir doch einfach mal zu. Ich hab' dir doch von dem Psychiater erzählt, zu dem ich gehe. Also der hat dafür gesorgt, dass wir hier in diese Wohnung kommen. Und zwar wollte der herausfinden, ob es hier paranormale Phänomene gibt. Er bezahlt mich dafür, dass ich hier mit dir wohne und ihm berichte, was ich hier erlebe. Ich kann dir das Geld zeigen, das er mir gegeben hat. Ich kann dir am Computer meinen Kontostand zeigen, da … da sind …“
Paula ist aufgestanden. Sie geht zum Kühlschrank. In der Hoffnung, dass sie mir noch zuhört, rede ich weiter.
„... da sind über 4000 Euro drauf, das ist von dem. Und es gibt hier in diesem Haus wirklich Etwas … also paranormale Phänomene. Und letzte Nacht hat das eine Dimension angenommen, wo ich denke, dass es besser ist, wenn wir hier verschwinden … also wenn wir diese Wohnung schnellstmöglich verlassen. Ich weiß nicht, ob es hier gefährlich für uns ist. Bisher hab ich immer nur Sachen gesehen und gehört, aber letzte Nacht, da hat mich etwas angefasst … das ist zu mir ins Bett gekommen und das war absolut real, ich hab' das nicht geträumt.“
Paula drückt die Kühlschranktür zu, sie hat nichts gefunden und vielleicht auch überhaupt nichts gesucht. Sie lehnt sich an die wacklige Küchentheke und schaut Richtung Decke.
„Paula, wenn du willst, dann kannst du mit diesem Psychiater sprechen, mit Herrn Strauss. Der wird dir meine Geschichte bestätigen. Ich ruf ihn jetzt gleich an und dann kannst du mit dem sprechen.“
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, suche nach Strauss' Nummer. Auf einmal Paula:
„Was sollen das bitte für paranormale Phänomene sein?“
„Das hängt mit der Schwester von Frau Diehl zusammen. Die ist hier in irgendeiner Form immer noch anwesend … die hat in der Wohnung nebenan gewohnt und … also die ist immer wieder Leuten hier erschienen in den vergangenen Jahrzehnten, ich bin da nicht die Einzige. Der Herr Strauss kann dir das bestätigen, der hat dazu Nachforschungen angestellt. Bitte warte 'nen Moment.“
„Die Schwester von Frau Diehl, von der alten Dame zwei Türen weiter?“
„Ja, genau. Kleinen Moment … warte bitte kurz.“
Ich höre das Freizeichen, einmal, zweimal, dreimal. Dann eine Frauenstimme, die Tochter.
„Hier bei Strauss.“
„Hallo, Lena Pander hier. Könnte ich mit Ihrem Vater sprechen. Es ist wirklich wichtig.“
„Hallo Frau Pander. Er schläft gerade, es geht ihm nicht sehr gut. Möchten Sie
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