Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Wir nehmen ja ganz gerne Frauen für solche Aufgaben. Unserer Erfahrung nach sind Frauen zuverlässiger als Männer. Aber jetzt sagen Sie doch mal, können Sie sich das überhaupt vorstellen?”
„Was genau wären denn meine Aufgaben. Also nur diese Rundgänge oder ...”
„Ja, zum einen diese Rundgänge, dabei immer schauen, ob alle Türen zu sind … und ab und zu mal eine kleine handwerkliche Sache, also vielleicht mal eine Glühbirne wechseln. Das ist wirklich nicht viel Arbeit. Wenn Sie Interesse haben, dann gebe ich Ihnen die Nummer vom Herrn Brandt, momentan kümmert er sich um das Haus. Der kann Ihnen da Genaueres sagen.”
„Ähm … dann wohnt dieser Herr Brandt momentan in diesem Haus? Also macht der im Moment diese Hauswache?”
„Nein nein, der wohnt nicht dort. Der fährt nur regelmäßig da hin und sieht nach dem Rechten. Der ist von einer Hausmeister-Firma, mit der wir seit einiger Zeit zusammenarbeiten. Sekunde mal, ich suche Ihnen die Nummer raus.”
Ich lasse mir die Nummer geben und wir verabschieden uns. Was ist dieser Egner überhaupt? Bauunternehmer? Anwalt? Hörte sich irgendwie nach Anwalt an, sehr selbstsicher. Kann mir gut vorstellen wie er vor Gericht irgendwelche Leute über den Haufen quatscht.
Mein Kamillentee ist nur noch lauwarm und ich weiß nicht, was ich von der Sache halten soll. Wäre ich da so eine Art Hausmeister? Ich habe so etwas noch nie gemacht. Okay, wir würden eine Menge Geld sparen. 200 warm für 65 Quadratmeter, das kriegt man sonst höchstens irgendwo in Ostdeutschland auf dem flachen Land. Eine Stunde zusätzliche Arbeit am Tag, das sind dreißig Stunden im Monat. Die Arbeit würde ich mir mit Paula teilen, also für jede 15 Stunden, eigentlich ein sehr gutes Angebot.
Ich rufe Paula an.
„Hallo Schatz, hast du einen Moment Zeit?”
„Sogar zwei Momente. Geht es dir besser?”
„Ja, geht einigermaßen. Hab mir nur den Magen verdorben. Vielleicht die Nudeln gestern.”
„Also ich hab' nichts”, antwortet Paula.
„Ist ja auch egal. Ähm … hör mal, ich hab gerade mit diesem Typen gesprochen, wegen der Wohnung. Die hat 65 Quadratmeter und kostet 200 warm.”
Ich warte. Null Reaktion.
„Und? Keine Begeisterungsstürme?”
„Da ist doch garantiert irgendein Haken dran.”
„Okay, also der Haken ist, dass wir in dem Haus nach dem Rechten sehen müssen. Wir müssen jeden Tag einen Rundgang machen und schauen ob alle Türen zu sind.”
„Hä?”
„Das nennt man wohl Hauswache … also so hat zumindest der Vermieter gesagt. Wir wohnen dort und zahlen weniger Miete, weil wir uns um das Haus kümmern. Kennst du diese runden Hochhäuser in der Georgstraße?”
„Welche runden Häuser denn?”
„Ich kenne die auch nicht, aber die sind noch aus den Zwanzigern und er meinte auch, dass die architektonisch sehr interessant sind. Vielleicht wäre das ja was für uns.”
„Hm … vielleicht. Lass uns da mal drüber sprechen, wenn ich zu Hause bin.”
Paula klingt wenig begeistert.
„Also ich glaube, das ist ein wirklich interessantes Angebot. Wir hätten sogar einen Balkon und eine Badewanne.”
„Lena, lass uns da nachher drüber reden. Du kannst ja mal schauen, wo das überhaupt liegt. Die Georgstraße ist ja ziemlich lang.”
„Okay, mach ich.”
„Bis nachher.”
„Ja, bis nachher.”
Was ist denn jetzt wieder los? Manchmal versteh ich Paula einfach nicht. Das ist wirklich ein interessantes Angebot. 65 Quadratmeter plus Balkon und Badewanne für – tata! – 200 Euro. Sie könnte ruhig mal ein bisschen Begeisterung zeigen. Was will sie denn noch? Einen Pool mit Wasserrutsche? Eine eigene Straßenbahnhaltestelle?
Ich schlurfe in meiner zu weiten Jogginghose zum Computer, drücke auf On und warte die halbe Minute, die das Ding zum Hochfahren braucht. Dann suche ich nach runden Häusern in der Georgstraße. Okay, kaum gesucht und schon gefunden. Nur dass sie nicht rund sind sondern achteckig … gebaut in den zwanziger Jahren vom bekannten niederländischen Architekten … eines der Häuser aufgrund von Kriegsschäden abgerissen im Jahr … momentan größtenteils leerstehend wegen …
Irgendwie kommen mir diese Häuser bekannt vor. Wahrscheinlich habe ich sie doch schon einmal gesehen. Ich öffne Google Maps und schaue mir an, wo genau diese Häuser liegen. Okay, ein bisschen außerhalb, viel Grün drum herum. Aber mit dem Fahrrad müsste man in fünf Minuten an der nächsten Straßenbahnhaltestelle sein … alles kein Problem.
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