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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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Paula momentan wohnen. Aber das ist kein Problem, sowieso nerven mich diese ganzen rausgeputzten Leute immer mehr. Ich habe den Eindruck, dass alles, was diese Menschen tun, auf Selbstinszenierung rausläuft. Als würden sie sich ständig selbst beobachten. Sogar die kleinen Nachlässigkeiten und Stilbrüche sind ganz genau durchdacht. Puh, wird vielleicht echt Zeit für 'ne neue Gegend. Vielleicht liegt meine Abneigung auch nur daran, dass ich den Eindruck habe, mit den schicken Leuten nicht mithalten zu können. Scheiße! Ich studiere und arbeite nebenher, da habe ich keine Zeit, dauernd mein Aussehen zu optimieren. Es gibt echt Wichtigeres.
    Ich fahre mit meinem kleinen, roten Frauenauto die Georgstraße entlang. Die Wohnhäuser werden weniger, ich komme an Tankstellen vorbei, an einem Baumarkt und mehreren am Straßenrand abgestellten Imbisswägen. Ich halte so angestrengt Ausschau nach Hausnummern, dass ich beinahe einem Lastwagen hinten rein fahre. Es müsste doch verdammt noch mal möglich sein, diese Hausnummern etwas besser sichtbar anzubringen. Ich hab keine Ahnung, wo ich bin. Plötzlich ein Monstrum von Hausnummer, golden glänzend und so groß wie ein durchschnittliches Klofenster. Na also, geht doch.
    Okay … hier irgendwo müsste es sein. Und ja, da ist was ich suche. Sie stehen ein ganzes Stück von der Straße weg, diese runden Häuser … eigentlich ja achteckigen Häuser. Und sie sehen aus, als würden sie nicht dazugehören, als hätten sie sich in diese Gegend verirrt und nicht wieder nach Hause gefunden. Ich schalte das Radio aus und biege in eine verdreckte Auffahrt. Die beiden Häuser – ein drittes wurde abgerissen, man erkennt deutlich die Lücke, die es hinterlassen hat – sind grau und verdreckt. Die Balkone sind versetzt angeordnet und geben den Gebäuden etwas Verzerrtes, Unordentliches. Sie sehen aus wie verdrehte Rubikwürfel. Die Bezeichnung „Hochhäuser”, die Herr Egner gebrauchte, ist übrigens leicht übertrieben. Besonders hoch sind die Gebäude nicht, ich zähle sechs Stockwerke. Keine Ahnung, welches das Haus ist, an dem ich mit Herrn Brandt verabredet bin.
    Ich biege auf einen großen Parkplatz zwischen den beiden großen Rubikwürfeln. Der Boden ist uneben, die Federung quietscht. Und zwischen den Knochensteinen (die heißen wirklich so, ich habe mal jemandem beim Pflastern einer Auffahrt geholfen) sprießt das Unkraut. Vor einem der beiden Häuser steht ein silberfarbener Passat, vor dem anderen ein alter Mercedes-Kombi und ein Polo mit einem großen roten Kreuz und einer Telefonnummer auf der Seite. Ich parke zwischen Polo und Mercedes. Der Kombi sieht aus, als könne er einem Hausmeister gehören. Und siehe da, hier ist er schon, eindeutig Herr Brandt. Er steht am Eingang des verdrehten Hauses, trägt blaue Latzhose, grauen Pferdeschwanz und rotes Karohemd, raucht eine Zigarette und winkt weit ausholend in meine Richtung. Ich schließe ab und gehe zu dem winkenden Mann.
    „Herr Brandt?”
    „Höchstpersönlich. Und Sie sind die Frau Pander. Das hat ja wunderbar geklappt. Lassen Sie mich noch zu Ende rauchen? Die Dinger sind ja so teuer geworden.”
    „Klar, kein Problem.”
    Herr Brandt nimmt einen tiefen Zug, lehnt sich dabei zurück und streckt die Brust raus. Erstaunlicherweise ist noch etwas übrig von der Zigarette, als er sie aus dem Mund nimmt.
    „Sie rauchen nicht?”, fragt mich Herr Brandt.
    „Nein … hab' gehört, dass es ungesund ist.”
    Er grinst mich an.
    „Dat halt ich für ein Gerücht. Na ja, ich sag Ihnen schon mal was zu dem Haus. Also … Sie sehen ja, dass der Zustand nicht der allerbeste ist. Dat Ding is ja schon bald hundert Jahre alt und vor zwei Jahren hat's auch noch gebrannt da drin.”
    Herr Brandt zeigt nach oben. An zwei Fenstern fehlt das Glas, sie sind mit blauer, straff gespannter Plastikfolie verklebt. Schwarze Rußzungen über den Fensteröffnungen.
    „Da is einer mit Zigarette eingeschlafen. Hat's nicht überlebt.”
    Der Hausmeister saugt sich das restliche Gift in die Lungen und schnippt den Stummel weg.
    „Aber die Wohnung, die Sie haben können, die ist in Ordnung, da riecht auch nichts nach Rauch. Ich war gestern Vormittag noch drin. Funktioniert alles: Wasser, Strom, Heizung. Der Balkon hat 'nen kleinen Riss. Aber wenn der mich aushält, dann hält der auch Sie aus. Sollen wir mal reingehen?”
    „Ja, gerne.”
    Brandt schließt die Tür auf: Eine große, dunkle Metalltür mir Glaseinsätzen. Er hält sie mir auf

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