Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
durch die kleine Wohnung und dann zum Fenster hinaus. Zwei Müllmänner schieben einen großen, grünen Papiercontainer zu einem großen, grauen Müllauto. Die Vorrichtung am Heck des Wagens greift den Container und kippt seinen Inhalt in den Lastwagen. Einer der Müllmänner hat seinen rechten Handschuh ausgezogen und kratzt sich am Auge. Als der Container wieder auf der Straße steht, da greift ihn sich der größere der beiden Männer und gibt dem Ding einen kräftigen Stoß. Der Container poltert über die Bordsteinkante, rollt einige Meter und bleibt dann stehen. Die Müllmänner sind schon aufgesprungen und das große Auto fährt weiter. Und dann … ganz langsam … setzt sich der Container in Bewegung und rollt Richtung Straße. Der Bürgersteig ist abschüssig, der Container wird schneller. Er poltert die Bordsteinkante herunter und bleibt mitten auf der Straße stehen. Die Fahrerin eines lila Twingo bremst ab, weicht auf die Gegenfahrbahn aus und umfährt das grüne Plastikding. Mir fällt auf, dass der Müllcontainer und der Twingo ungefähr die gleiche Größe haben. Soll ich rausgehen und den Container von der Straße schieben? Nicht dass jemand mit dem Plastikkasten zusammenstößt. Andererseits … Das Ding ist auffällig genug, da fährt keiner gegen. Außerdem bin ich krank.
Statt die Müllfrau zu spielen, suche ich den Zettel, den mir Schwester Anne gegeben hat. Ich finde ihn in meiner Jeans, gehe zurück zum Küchentisch und wähle die Nummer. Die Vorwahl unterscheidet sich nur in einer Ziffer von unserer.
„Hier Maria Reichel, Sekretariat von Herrn Egner.”
„Guten Tag, mein Name ist Lena Pander. Könnte ich den Herrn Egner sprechen?”
„Worum geht es denn?”
„Ähm, ich habe von einer Arbeitskollegin diese Nummer bekommen. Wir sind auf der Suche nach einer Wohnung und diese Kollegin meinte, ich soll mal mit Herrn Egner sprechen.”
„Moment, ich verbinde Sie.”
Warteschleifenmusik, leichte Klassik. Ich schaue einem älteren Herrn dabei zu, wie er den verirrten Müllcontainer von der Straße zieht. Seinen kleinen grauen Hund hat er an einem Gartenzaun angebunden. Als der Container sicher steht, wischt sich der Mann die Hände an der Hose ab, macht den Hund los und läuft weiter.
„Hallo, hier Egner.”
Eine tiefe, stabile Stimme.
„Guten Tag, mein Name ist Lena Pander. Ich habe Ihre Nummer von einer Kollegin, von Schwester Anne … ich weiß leider den Nachnamen nicht.”
„Schwester wer? … ach so, Sie arbeiten im Klinikum. Sie rufen wegen der Wohnung an.”
„Genau, wegen der Wohnung. Ich wollte mal fragen, um was es sich dabei handelt.”
„Ja ähm … warten Sie mal einen Moment.”
Ich höre das Rascheln von Papier und deutlich die Atemgeräusche Herrn Egners. Anscheinend benutzt er ein Headset.
„Okay, also die Wohnung ist in der Georgstraße … Pander war Ihr Name?“
„Ja, Lena Pander.“
Kennen Sie diese runden Hochhäuser, Frau Pander? Die sind architektonisch sehr interessant, wurden in den 20er Jahren gebaut.”
Ich weiß, wo die Georgstraße ist, liegt ein bisschen außerhalb. Die runden Hochhäuser allerdings kenne ich nicht.
„Macht ja nichts. Jedenfalls haben wir diese Häuser gekauft und überlegen gerade, was wir damit machen. Und ähm … also diese Wohnung, die Sie mieten könnten, die hätte 65 Quadratmeter, Badewanne und Balkon sind vorhanden. Die Miete läge bei 200 Euro warm.”
Hab ich mich gerade verhört? 200 Euro warm? Ich frage nach und Herr Egner bestätigt mir diese unglaublich niedrige Zahl.
„Genau, 200 Euro warm. Wir rechnen für die Hauswache einen Stundenlohn von zwölf Euro, allerdings haben Sie erfahrungsgemäß nicht mehr als eine Stunde Arbeit am Tag, das hält sich wirklich in Grenzen.”
Ich verstehe nicht. Von was redet der?
„Was meinen Sie mit Hauswache?”
„Ja die Hauswache eben.”
„Ich verstehe nicht ganz.”
„Ach so … dann hat man Ihnen das nicht gesagt. Das Haus steht fast komplett leer, da wohnen momentan nur zwei Parteien drin. Ihre Aufgabe wäre es, täglich einen Rundgang durch das Gebäude zu machen und nach dem Rechten zu sehen. Sind Sie handwerklich begabt?”
„Ähm …”
„Müssen Sie auch nicht. Es kommt wirklich nur darauf an, dass Sie Ihre Rundgänge machen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Und dafür verlangen wir eben nur 200 Euro Miete. Würden Sie alleine dort einziehen?”
„Nein, zusammen mit meiner Lebensgefährtin.”
„Mit Ihrer Lebensgefährtin … ach so.
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