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Vilja und das Raeuberfest

Vilja und das Raeuberfest

Titel: Vilja und das Raeuberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Kolu
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Faustkampf ungewollt zum Schiedsrichter wurde. An das von Papa ständig wachsende Misstrauen mir gegenüber. An die Versuche von Mama, die Familie fester zusammenzuschweißen, indem sie uns besondere Weihnachtsgeschenke machte und Badeausflüge in tolle Schwimmbäder organisierte. GaRei-Kram, hatte ich damals nur abfällig gedacht.
    Nimm doch um Himmels Willen noch ein weiteres Dampfbad – seid nur Ganz-Reiche mit eurem ganzen Geld, wenn es euch doch so viel bedeutet! Ich wäre jetzt viel lieber bei einem Raubzug!, hatte ich geschrien, sodass es von den Kacheln zurückhallte.
    War ich meiner Familie gegenüber vielleicht unfair gewesen? Das ganze Jahr über hatte ich mich wie eine Gefangene in der Vainisto-Familie gefühlt. Als hätte man mich dahin für die Dauer des Schuljahres entführt, obwohl das doch eigentlich mein Zuhause war.
    » Bei uns beginnt gleich im Herbst das Lerne-die-Familie-kennen -Projekt«, Kalle verzog sein Gesicht.
    Ich begriff, dass, während ich über mein Zuhause nachgedacht hatte, er all seinen Mut gesammelt hatte, um zu erzählen, was ihn bedrückte. » In der ersten Schulwoche muss jeder einen Vorschlag machen, wie man seine Familie vorstellen möchte: seine Geschwister, deren Hobbys und die Berufe der Eltern. Wir werden verschiedene Wandtafeln, Aufführungen und Referate machen. Und dann gibt es noch einmal einen ganzen Vormittag, an dem man sich verschiedene Möglichkeiten überlegen soll, wie man der Klasse das Leben seiner Familie vorstellen will. Man kann alle auf einen Besuch zum Arbeitsplatz des Bäcker-Vaters mitnehmen, oder die Feuerwehr-Mama bitten, von der Arbeit der Feuerwehrmänner zu berichten. Was soll ich denn bitte von meinem eigenen Leben erzählen?«
    » Autsch!«, jetzt verzog auch ich das Gesicht. » Das ist wirklich ein Problem!« Ich drehte das Wegerich-Stückchen in meiner Hand zu einem Ball. Wenn man in der Handfläche eine kleine Verletzung hat, heilte der Wegerich diese Wunde wie ein Natur-Pflaster.
    » Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass die Klasse uns zum Beispiel dabei zusieht, wie wir irgendein Auto ausrauben«, stöhnte Kalle.
    Es war offensichtlich, wie schwer es ihm fiel, über die Sache zu sprechen. Ich war irgendwie stolz, dass er es dennoch versuchte, und er sich mir anvertraute. Solch eine Freundschaft hatte ich das ganze Jahr über vermisst. Bevor ich die Räuberbergs kennenlernte, hatte ich geglaubt, gute Freunde zu haben, Geigenfreunde und Klassenkameraden. Aber erst nach dem letzten Sommer hatte ich verstanden, wie fremd wir uns eigentlich waren. Wir sprachen über unsere Übungsstücke, die wir im Geigenunterricht aufbekamen, und tratschten, aber keiner meiner Musikfreunde wusste irgendetwas wirklich Wichtiges über mich. Keiner ahnte, was mir bei meinen Abenteuern im letzten Sommer alles passiert war.
    Ich hatte das Geheimnis der Räuberbergs für mich behalten, und das hatte mich verändert.
    » Weißt du, was das Schlimmste ist?«, stöhnte Kalle auf. » Wenn ich dem Boss davon erzählen würde, wäre er ganz außer sich vor Freude! Er hält uns ja sowieso die ganze Zeit Vorträge über die Räuberei, er schafft es einfach nicht, damit aufzuhören. Von einem Publikum, bei dem man sogar mit den Grundlagen anfangen könnte, wäre er total begeistert. Er würde erzählen, wie wild und schön und gefährlich das Landstraßenräuberleben ist. So wie damals bei dir. Die Versuchung, über sich selbst zu sprechen, wäre so groß, dass der Boss überhaupt nicht über die Risiken nachdenken würde. So ziemlich jeder aus meiner Klasse könnte uns danach anzeigen, einfach so mal an irgendeinem Montag bei der Polizei anrufen, weil ihm an dem Tag mein Gesicht nicht gepasst hat!«
    » Das könnte alles in Gefahr bringen«, stellte ich entsetzt fest. » Das in die Schule gehen. Die Winterwohnung. Ihr müsstet zumindest umziehen.«
    » Jetzt, wo ich ein Jahr lang etwas lernen durfte, will ich nicht mehr darauf verzichten! Es MUSS einfach irgendeine andere Lösung geben!«, stieß Kalle leidenschaftlich hervor.
    » Könnte Hele nicht einfach so tun, als sei sie jemand anderes?«, fragte ich. » Sie hat das perfekte Pokerface, sie könnte alle möglichen Geschichten über das Leben eurer Familie erzählen.«
    » Das ist wahr!« Kalle grinste, aber dann verfinsterte sich sein Gesicht wieder. » Allerdings würde meine Schwester dann denken, dass ich mich für unsere Eltern schäme. Dass ich mich für diese Art zu leben schäme, wenn man sogar schon in

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