Vilja und das Raeuberfest
Sonnenbrille aus der Brusttasche ihres dünnen Hemdes. » Dann lass uns mal gehen!«
Mit ihren langen Beinen schritt sie in Windeseile an mir vorbei. In ihrem Fahrer-Outfit sah sie überhaupt nicht mehr so Furcht einflößend aus wie vorher. Irgendwie wirkte sie … weicher.
Ich kletterte auf meinen Sitz. Die anderen hatten auf ihren Plätzen gewartet und waren zur Abfahrt bereit. Hilda öffnete die Fahrertür und setzte sich hinter das Lenkrad. In weiser Voraussicht hielt ich mich am Wurfgriff fest, weil ich ihre Blitz-Starts kannte. Einen Moment lang saß sie ruhig hinter dem Steuer, dann stand sie auf und stieg wieder aus dem Bus. Sie öffnete die Seitentür, neben der direkt Gold-Piets Platz war. » Hör mal, Piet. Könntest du bitte fahren?«, fragte sie leise.
» Ach sooo …«, Gold-Piet schluckte. Er warf einen Blick auf den Wilden Karlo, dessen Mund vor lauter Staunen offen stand.
» Naja, also … ich könnte schon … Also wenn du das möchtest, könnte ich es versuchen. Das ist ja nur ein Lenkrad, auch wenn’s zu diesem Bus gehört, aber das dreht sich wohl genauso wie das der anderen Fahrzeuge auch …«
» Jetzt hör doch auf, den armen Mann zu ärgern«, beschwerte sich der Räuberhauptmann. » Der Piet versteht doch nicht, dass du ihn nur testest! DU bist die offizielle Fahrerin – deinen Platz will dir keiner streitig machen!« Dann fügte er liebevoll hinzu: » Fahr jetzt, Schatz. Keiner fährt überhöhte Geschwindigkeiten so bezaubernd wie du!«
» Aber wenn ich doch nicht fahren will …«, sagte Hilda leise.
Gold-Piet öffnete seinen Sicherheitsgurt und stieg verwirrt aus dem Wagen. Er zappelte zur Lockerung mit den Händen und den Füssen herum und umrundete dann den Bus, um zur Fahrertür zu gelangen. Unsere Verwirrung hätte nicht größer sein können, als Hilda nun nicht auf Piets Platz kletterte, sondern als nächstes die Beifahrertür öffnete. » Ich würde mich gerne hier hinsetzen, Schatz. Mir wird im Auto jetzt immer so schnell schlecht. Mir geht’s besser, wenn ich auf die Straße schaun kann.«
Der Wilde Karlo rutschte auf seinem Sitz zur Seite, so als hätte Hilda ihn gebissen. » Aber das geht doch nicht! Der Kapitän des Räuberbusses! Auf der Rückbank?!«
Hele schien sich einmischen und sagen zu wollen, dass auch sie als Zweitkapitän hinten sitzen musste, aber ich legte meine Hand auf ihre. Sie nickte mir zu, dass sie verstanden hatte: Es war besser, die beiden jetzt in Ruhe ihren Streit ausfechten zu lassen. So verzog sie nur ihr Gesicht und schaute aus dem Fenster nach draußen.
Wenn ich sie nicht so gut gekannt hätte, hätte ich niemals erraten, wie besorgt sie tatsächlich war. Es war ganz und gar nicht gut, auf dem Weg zum Sommerfest die eigenen Reihen ganz durcheinanderzubringen und somit die möglichen Gefahren zu vergrößern!
Die Besprechung auf der vorderen Sitzbank nahm einen heftigeren Tonfall an. Der Wilde Karlo klammerte sich regelrecht an seinen Sitz. » Von dahinten sieht man doch nicht mal die … hm … Situationen! Man kann nicht die Raubmaßnahmen analysieren! Und man kann auch nicht blitzschnell Befehle bellen! Seiner Mannschaft Vertrauen und Selbstbewusstsein einflößen und die ganzen Anführeraufgaben ordentlich ausführen! Willst du, Weib, dass ich noch weiter wegrutsche?« Die letzten beiden Worte schrie er wie ein Opernsänger heraus. An seinem ganzen Verhalten sah man, wie bestürzt und verletzt er war.
» Die Alternative wäre«, sagte Hilda und blieb dabei ganz ruhig, » dass Herr Karlo Räuberberg die Kotze vom Boden wegwischen darf, noch bevor wir auf der Hauptstraße sind!«
Nicht mal eine Mücke hätte es geschafft, in dem Tempo in den Bus hineinzufliegen, in dem der Räuberhauptmann seinen Gurt öffnete, runter in den Sand sprang und dann wieder zurück in den Bus hechtete und die Seitentür hinter sich zuzog.
Kapitel 16
in dem sich herausstellt,
wer der zweite Fahrer des
Räuberbusses sein wird
G old-Piets Fahrkünste reichten nicht einmal annähernd an die von Hilda heran, das hatten wir schnell begriffen.
» Gib Gas, gib Gas!!«, brüllten Hele und Kalle von der Rückbank, als der Bus ruckelnd vom Lagerplatz rollte.
Ich merkte, dass Hilda nur auf die Straße schaute und scheinbar nicht in Piets Fahrweise eingreifen wollte. Wenn Kaija, die Schwester vom Wilden Karlo, den Räuberbus gesteuert hatte, hatte sie immer versucht, sie beim Fahren zu stören, so eifersüchtig war sie gewesen, was das Fahrerrecht anging.
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