Vilja und das Raeuberfest
dem viele Leute mit ganz roten Wangen strömten. Sie zupften an ihren Kragen, damit diese etwas lockerer wurden, lüfteten die heiß gewordenen Lederwesten und rissen sich die Tücher in den Gruppen-Farben ihrer Sippe von den Köpfen. Einige ältere Räuber riefen die Jüngeren zur Ordnung, welche die Pause dafür nutzten, Streiche auszuhecken. In meinem normalen Leben hätte ich um einen solchen Menschenauflauf einen großen Bogen gemacht. Mama hätte Vanamo und mich auf die andere Straßenseite geführt und uns das Versprechen abgenommen, nie wieder jene Seite zu betreten – so lange wie diese Leute noch da waren.
Ich dachte darüber nach, dass der große Unterschied zwischen meinem Sommerleben und meinem normalen Leben war, dass ich mich im Sommer immer regelrecht auf die Sachen stürzte, vor denen mich die Erwachsenen sonst zu schützen versuchten.
» Hör mal, ich muss jetzt nachschaun, wie sich Kalle im BeWe schlägt.« Gold-Piet schien das zu bedauern. » Der Wilde Karlo würde bestimmt wütend werden, wenn da auch eine Schlägerei ausbrechen würde und der Junge ganz alleine wäre. Aber ich komm’ sofort zurück, sobald ich kann, und bin bestimmt wieder hier, noch bevor dein Kampf vorbei ist!«
» Geh ruhig. Ich komm’ schon klar«, log ich, aber das war so ein schwacher Schwindel, dass man das sofort durchschauen konnte.
Ich lehnte mich an den Baumstamm und schlürfte Gold-Piets besonderes Finale-Gebräu zu Ende. Es war ein dünner Saft, der einen kleinen herben Beigeschmack hatte.
» Eine Sache noch«, sagte Gold-Piet, bevor er ging. » Hast du da eigentlich reingeschaut?« Fast zärtlich nahm er aus seinem Seemannssack den grauen FuMo-Pappkarton heraus. Er hatte seinen Funktionierenden Modellen gegenüber einen ziemlichen Beschützerinstinkt entwickelt.
» Nein«, antwortete ich. Um ehrlich zu sein, war ich ziemlich stolz darauf, dass ich nicht reingeschaut hatte, obwohl es die Möglichkeit dafür gegeben hätte. Langsam hob er den Deckel hoch und hielt die Luft an, während er meine Reaktion beobachtete. Zum Vorschein kam ein perfekt gebautes Parlamentsgebäude mit Säulen und Treppen. Die klitzekleinen Laternenpfähle konnte man anknipsen, ihr Licht warf schöne Schatten auf die Treppe.
» Guck, es gibt sogar einen eiligen Volksvertreter«, fuhr Gold-Piet liebevoll fort und streichelte die Seite des Taxis, das am Straßenrand parkte. » Der Wagen wartet bereits auf ihn, weil er es morgens immer eilig hat.«
Kein Wunder, dass dieses Modell die Disziplin gewonnen hatte, auch wenn der Titel dem falschen Mann verliehen worden war. Mir war klar, warum Piet mir seinen Schatz zeigte. Das war seine Art zu sagen, dass ich mein Bestes geben und unbedingt versuchen sollte zu gewinnen, indem ich die letzten vorhandenen Kräftereserven mobilisierte. Beim Wettkampf würde es eng werden, und wir brauchten jeden einzelnen Punkt. Ich winkte, als Gold-Piet endlich in Richtung des BeWe-Wettkampfortes fortging. Ich winkte auch dann noch, als er mich gar nicht mehr sehen konnte.
Es war so heiß, dass ich die Müdigkeit in jeder Faser meines Körpers spüren konnte, und der Schweiß trat aus jeder Pore. Die brütende Hitze schien einen Sturm vorauszusagen. Schwarz-lila Wolken versammelten sich am Himmel, das Wetter war feucht und schwül wie in den Tropen. Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, sah es nach einem ordentlichen Regen aus. Vielleicht gäbe es ein Gewitter. Was konnte man sich mehr wünschen, als beim Finale alleine zu sein, inmitten einer wütenden Räubermeute und dann auch noch bei Blitz und Donner?!
Markus von Motor-Horror führte hinter dem Wettkampfzelt schon wieder irgendwelche Arbeitsgespräche an seinem Handy, als ich vorbeiging. » Ja, verkauf es, also das ganze Aktienpaket! Verkauf es, wenn die noch einen weiteren Punkt runtergehen. Das auch, bevor die Börse in Tokio öffnet!«
Als er mich sah, unterbrach er sein Gespräch unhöflich mitten im Satz, indem er einfach sein Muschelhandy zuklappte. » Was ist los?«, fragte er und seine Augen funkelten. » Diese A-Ka-Geschichte hat all meine Konzepte durcheinandergebracht. Gut gemacht!«, lobte er mich und gab mir einen Handschlag als Zeichen, dass er ein fairer Verlierer war.
» Schade, dass du es nicht ins Finale geschafft hast«, sagte ich.
» Das war für mich eine neue Disziplin«, gab Markus zu. » Um ins Finale zu kommen, hatte ich keine echte Chance.«
» Es wäre schön gewesen, noch einmal gegen dich zu kämpfen«,
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