Vilja und das Raeuberfest
währenddessen von Markus weitere Infos bekäme und auf deren Grundlage dann weiter raten könnte.
» Der erste Satz …«, fing ich an und hatte das Gefühl, ich stünde vor einer Aufgabe, die so groß wie ein Berg war. » Ihr seid ein Verein und habt keinen Anführer.« Markus Blick wurde scharf, ich war anscheinend in seinen Schutzwall eingedrungen. » Deshalb könnte der Satz wahr sein, zumindest der Anfangsteil. Aber warum solltet ihr lügen? Zumindest behauptest du nicht, dass ihr euch gegenseitig anlügt. Ihr könnt auch die ganze Welt belügen. Das ist schließlich der Alltag eines Räubers!«
Ich hörte, wie die Alte Hanna Martha mit 2:0 besiegte. Die Fliegenden Stilette warfen ihre Anführerin feierlich in die Luft und ließen sie dann vorsichtig wieder runter. Sie hatte soeben ihrer Gruppe wieder die Möglichkeit eröffnet, in das Finale zu kommen. Martha hingegen brüllte vor Enttäuschung. Sie hatte den ersten Halbfinalwettkampf gegen Markus gewonnen und hätte mit einem zweiten Sieg den direkten Einzug ins Finale geschafft. Hanna zügelte ihre Freude und Martha ihre Enttäuschung, beide begannen sich auf die Hoffnungsrunde vorzubereiten. Diese würde sofort beginnen, sobald Markus und mein Endergebnis feststand. Das Zelt wurde leerer, weil sich die Stilette entschieden hatten, eine Versammlung außerhalb des Zeltes abzuhalten, um ihre weitere Strategie zu besprechen.
» Der zweite Satz: Es scheint hier Mode zu sein, mit seiner eigenen Sippe rumzuprotzen. Du könntest so eine Erfolgsquote auch nur aus dem Grund nennen, um den anderen Angst einzujagen. Aber eine fünfprozentige Möglichkeit zu scheitern ist wirklich sehr gering. Ihr müsst schon ziemliches Selbstvertrauen haben, aber schafft man es nur damit auf die fünf Prozent? Es hört sich so an, als hättet ihr keine Angst, geschnappt zu werden«, vermutete ich.
Markus hob sein Kinn um circa fünf Millimeter. Sehr gut, ich war also auf der richtigen Spur!
» Eigentlich seid ihr sicher, dass ihr nicht geschnappt werdet, wenn irgendetwas richtig schief gehen würde. Ihr müsst einen Helfer haben, der euch darüber informiert, ob irgendjemand hinter euch her ist«, sagte ich.
Der Schiedsrichter, der auch einer von den Motor-Horrorianern war, trat näher, um besser zuzuhören. Er war dabei, die Halbfinalpunkte auf einer großen Tafel zu notieren, aber mir war klar, wie sehr ihn das hier gerade interessierte.
» Dritter Satz: Familie – ja oder nein?«, fuhr ich fort und begann, dem Satz auf den Grund zu gehen. Wenn die Motor-Horrorianer nicht eine Familie waren, warum hatten sie dann alle – von A-Ka abgesehen – biblische Namen? Bei Q & R hatten wir die Jury-Mitglieder Lukas und Johannes getroffen, und kämpfte beim BeWe nicht Matthäus? Entweder hatte irgendein gottesfürchtiger Räubervater sich für diese Namen entschieden, nach dessen Meinung alle gleichberechtigt waren oder – ja, was oder? Warum glichen die Namen der Freunde so sehr einander?
Weil das überhaupt nicht ihre echten Namen waren! Markus, Matthäus, Lukas und Johannes waren Decknamen! Satz eins wies ja auch darauf hin. Die merkwürdigen Telefonate von Markus, waren ein weiterer Beweis dafür. Die Motor-Horrorianer waren nur einen Teil ihrer Zeit Landstraßenräuber. Sie alle – oder zumindest ein Teil von ihnen – hatten ein ganz normales, richtiges Steuerzahler leben! Markus führte zwei Leben, einerseits war er mitten in der Räuberwelt, aber gleichzeitig war er auch außerhalb davon. Er war so wie ich!
» Noch eine Minute bis zur Entscheidung«, warnte mich der Schiedsrichter, als ich eine ganze Weile still gewesen war. Wenn ich meinen Tipp nicht rechtzeitig abgäbe, würde Markus die Runde gewinnen. Wie konnte ich nur laut sagen, was ich gerade begriffen hatte? Am liebsten hätte ich den Wettkampf abgebrochen, um das Geheimnis von dem Motor-Horrorianer und seiner Sippe zu schützen. Um unser Stuhlpaar herum gab es nur noch wenige Zuhörer, aber jedes einzelne Ohrenpaar war schon zu viel. Wenn das Geheimnis von Markus herauskommen würde, wäre er in großer Gefahr.
» Die Lüge ist Nummer drei«, sagte ich ausweichend. » Der Anfangsteil ist wahr, aber du hast keine Brüder. Sonst wäre dieser Bruder jetzt hier, um dich anzufeuern. Stattdessen dürften Lukas und Johannes Geschwister sein.«
» Wie kommst du darauf?«, fragte Markus.
» Sie haben beide die gleichen, etwas abstehenden Ohren«, antwortete ich. » Und nicht nur das. Sie sind immer zusammen unterwegs.
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