Vilja und das Raeuberfest
Räuberherrschers ging! Warum war Spinni noch nicht in den Ruhestand geschickt worden? Warum traute man sich nicht, irgendeinen seiner Söhne ganz offiziell zum neuen Anführer zu ernennen? Gab es denn nichts Schrecklicheres, als dass ein alter, verwirrter Mann, der nicht mehr wusste, wo er war, sang: » … so werde ich ganz artig auf dich warten«?
» Protest!«, brüllte Martha Hurmala, noch bevor Spinni das Lied bis zur letzten Strophe gesungen hatte.
Die Giftzwillinge hatten sich einen Weg bis zur Bühne gebahnt, und Berta schubste ihre Schwester hinauf. Aber natürlich! Martha war die Bessere, wenn es darum ging, über jemanden zu lästern und einen Wortkampf zu gewinnen. Als sie auf der Bühne war, stürmte sie sofort zu Spinni, riss ihm das Mikrofon aus den Händen und kreischte: » Protest! Die Hurmalas protestieren!«
Irgendwie ging bei diesem Handgemenge das Mikro kaputt, es begann ganz furchtbar zu quietschen, und alle pressten ihre Hände auf die Ohren. Spinni-Hurmala stand nach wie vor auf der Bühne und schien nicht zu wissen, was er da eigentlich gerade tat.
» Weshalb protestiert ihr denn eigentlich?«, rief A-Ka Mikkonen, allerdings hörte sie keiner, weil das Mikrofon immer noch in Marthas Hand war.
» Spinni-Hurmala ist aus seinem Amt bereits enthoben worden!«, schrie Martha immer noch übertrieben laut. » Er wurde abgeschoben! In Altersrente! In Erwerbsunfähigkeitsrente! Unser echter Anführer, Jussi-Großmaul Hurmala, müsste eigentlich in der zweiten Runde antreten!«
Die Rotbefederten riefen » Hurra« und stampften mit den Füßen. Artsi Luuvalo klopfte Jussi-Großmaul auf den Rücken, so wie man es unter Verbündeten tut. Nur der etwas weiter weg stehende strohdoofe kleine Bruder Jake pulte an seinen Fingern herum, in einer Art, die nichts Gutes versprach. Ganz offensichtlich wäre auch er gerne Anführer geworden.
Martha reichte Berta das Mikrofon und diese ergänzte: » Falls diese Entscheidung und der Machtwechsel der Hurmalas nicht akzeptiert werden, dann werden die Hurmalas auch nicht den gewählten Räuberherrscher und die Macht des Rates akzeptieren!«
Und das bedeutete nichts anderes, als dass die ganze Räuberwelt in einem Sippenkrieg und letztendlich im Chaos versinken würde!
» Unverschämte Feilscherin«, flüsterte Kaija mir zu. » Erinnert mich an den Agenten des Schauspielers, der die männliche Hauptrolle in meinem Film übernommen hat. Der wollte immer mehr Gage herausschlagen! So ein Dollareintreiber und dazu ein ganz verrückter Golfspieler!«
Es folgte eine kurze Beratungszeit. Der Gesangswettbewerb wurde unterbrochen und Spinni-Hurmala von der Bühne runtergeholfen. Der neue Räuberrat versammelte sich und flüsterte mit den Veranstaltern. War es unfair, dass die Hurmalas in der zweiten Runde zwei Mal dran kamen? Oder war es noch unfairer, dass alle Wettkampfordnungen umsonst gewesen wären, wenn die Hurmalas auf dem Kriegsfuß verschwänden? Dieser Sippe war es gelungen, ein faires Spiel in ein unfaires zu verwandeln: Im letzten Moment vor der Wahl des Räuberherrschers hatten sie es geschafft, die anderen Gruppen zu erpressen, ihre Bedingungen zu akzeptieren.
Lukas von Motor-Horror nahm das Mikrofon und stand lange Zeit mit ernster Miene auf der Bühne. » Der neue Rat hat Martha Hurmalas Einwand angehört und sich dazu entschieden, ihren Protest anzunehmen«, verkündete er, und seine Stimme ging in den Jubelschreien der Hurmalas unter. » Anstelle von Hannes-Spinni Hurmala wird in der zweiten Runde der Gaunerkaraoke Jussi-Großmaul Hurmala als Vertreter der Sippe kämpfen.«
Dem Großmaul wurde die Liste mit den Liedern gebracht, und er begann diese – von den Giftzwillingen umrahmt – durchzublättern. Als sich Martha ausstreckte, um über seine linke Schulter zu schauen und Berta das Gleiche auf der rechten Seite tat, sah es so aus, als ob Jussi ein Mann mit drei Köpfen wäre. Nachdem er lange Zeit die Karaokelieder durchgesehen hatte, traf er seine Entscheidung. » D 36, aber dalli dalli!«, sagte er und warf Lukas verächtlich die Liste zu, so als wäre dieser irgendein kleiner Handlanger und nicht ein Mann, der gerade in den Räuberrat gekommen war.
Das vom Großmaul ausgesuchte Lied war You really got me. Er überraschte allerdings damit, dass er das Lied auf Finnisch sang. » Ich bin böse«, wiederholte das borstenhaarige Großmaul immer wieder ziemlich überzeugend und blickte dabei unter seinen buschigen Augenbrauen schurkenhaft umher.
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