Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
glücklichen Seufzer und stellte mich viel dümmer und braver, als ich war. Dabei merkte ich, dass ich plötzlich fürchterlich aufgeregt war. Am liebsten hätte ich alle Sachen auf dem Tresen mit den Händen befingert, vielleicht hätte das die Nerven beruhigt.
» Jetzt bin ich hier im Ferienlager, aber Papa muss sich in Helsinki um die Staatsangelegenheiten kümmern. Da ist das doch furchtbar praktisch, nicht? Ich kaufe ein, und Papa zahlt. Hier ist mein Ausweis, könnten Sie mal nachsehen, ob das Konto schon eröffnet ist?«
» Solche Konten haben wir nicht«, sagte der junge Mann unfreundlich.
Das wird nichts, dachte ich und schluckte. Eiseskälte breitete sich in meinem Bauch aus. Es klappt nicht. Es klappt nie. Dann begann ich mich zu ärgern. Meine Schwester Vanamo würde jetzt bestimmt nicht aufgeben, dachte ich. Ich aber warf immer gleich das Handtuch. Aber heute würde ich nicht nachgeben, sondern meinen Willen durchsetzen, als wäre ich meine Schwester.
» Bitte …!«, sagte ich und schürzte vanamomäßig die Lippen. Ich versuchte mir vorzustellen, dass ich ein nabelfreies Top und Hüftjeans trug. » Ich bin wirklich ganz sicher, dass Sie es finden können.«
Ich lächelte, lehnte mich an den Tresen und ließ meine Sandale am Zeh baumeln, was der junge Mann leider nicht sehen konnte. Vanamo würde auch noch großspurig ihr Haar zurückwerfen, aber das brachte ich dann doch nicht fertig. Jedenfalls reagierte der Verkäufer jetzt. Gelangweilt tippte er auf seinem Computer herum, sah sich meinen Ausweis an, und plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck.
» Da ist es ja!«, sagte er. » Oha!«
» Mein Papa arbeitet beim Staat«, sagte ich und grinste wie eine siegessichere Vilja, nicht wie Vanamo.
Ich drehte mich zum Rest der Mannschaft um. » Also gut, dann bedient euch!«
Hilda wollte ihren Augen nicht trauen, als wir begannen, unsere bis obenhin gefüllten Papiertüten in den Bus zu laden. Eine ganze Tüte Bananenschiffchen und Toffeelastwagen, eine perfekte Mischung. Für Hilda eine Tüte Himbeerboote. Zwei Tüten Lakritzschnüre, die eine mit normaler Lakritze, die andere mit gemischten Schnüren: rote Lakritze, gelbe Zitronenlakritze in großen Knäulen. Die Tüte mit den Salmiakflöhen wurde erst nur halb voll, aber im Hinterzimmer des Ladens lagerten noch Vorratspackungen, sodass die Plastikbox wieder aufgefüllt und unsere Tüte bis obenhin vollgestopft werden konnte.
Ich stand vor der Kasse, damit die Räuberbergs nicht so genau sahen, was dort vor sich ging. Wegen der Räuber tat ich so, als gestikulierte ich drohend. Dabei zeigte ich in Wirklichkeit auf Details auf den Filmplakaten, die hinter der Kasse hingen, und sprach freundlich mit dem Verkäufer. » Diese noch. Und diese. Und diese.«
Der arme Verkäufer. Immer wieder stellte ich den großen Korb gefüllt mit immer neuen Bonbontüten auf die Waage, in dem normalerweise die Badesachen der Räuberbergs waren, und der sich ausgezeichnet für Süßwarentüten eignete. Der Verkäufer musste einen Korb voll Süßigkeiten nach dem anderen wiegen und jede Menge Summen in seinen Kassenautomaten eingeben. Dann gab ich den Korb weiter an den, der gerade an der Reihe war, die Beute zum Bus zu tragen. Währenddessen schaufelten alle anderen noch mehr Bonbons in Tüten, und wenn der Korb zurückkam, füllten sie ihn aufs Neue. Um mich kümmerten sie sich kaum, denn die Süßigkeiten nahmen all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. Gold-Piet schluchzte laut auf, wenn er Sorten fand, die er erst einmal im Leben gegessen hatte. Kuh-Toffees! Laku-Lakritzen! Schmelzpilze!
Es waren bestimmt hundert Tüten. Die Papiertüten in beiden Gestellen waren nun alle; für die schaumgummiartigen Süßwaren wie Mäusespeck nahmen wir Plastiktüten. Vielleicht waren es auch hundertfünfzig. Manchmal waren der Verkäufer und ich uns nicht mehr sicher, ob wir alles gewogen hatten. Zum Schluss wedelte er nur noch erschöpft mit der Hand: Nehmt nur alles mit, es ist nicht so wichtig. Die Endsumme war dreistellig, hoffentlich mindestens zweihundert oder mehr. So viel war ich wert! Und das war erst der Anfang.
» Und dann marschiert das Mädchen einfach zur Kasse und sagt: ›Pfoten hoch, das ist ein Überfall‹«, sagte Gold-Piet, als der Bus wieder außerhalb der Stadt dahinschnurrte. » Sie hat dem Typ an der Kasse die Tüten gezeigt und jedes Mal eine schreckliche Drohung gezischt! Ganz im Stil der großen Welt. Eher leise, so im Flüsterton, wie es sein muss.
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