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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Kolu
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eine Maskerade oder einen echten Überfall handelt. Angst macht ihn zusammenarbeitswillig, was den Verlauf des Überfalls beschleunigt. Dadurch sinkt die Gefahr, geschnappt zu werden.
    » Da hört ihr’s«, sagte der Wilde Karlo und schluckte den Rest seines Brotes. » Als Räuberhauptmann kann man keine x-beliebige Kleidung tragen. Ein anständiger Räuberhauptmann sieht schreckenerregend aus. Schre-cken-er-re-gend!«
    Der Wilde Karlo wiederholte das Wort noch ein paarmal, drehte und wendete es genüsslich auf der Zunge und kostete es aus, während er mit ausgebreiteten Armen nebenher durch die Luft ruderte.
    » Noch ein Beispiel. Schaut mal her«, sagte er und schlug die National Geographic auf, die wir vor Kurzem geraubt hatten. » So sieht ein Seekapitän aus, der alle Weltmeere befahren hat. Seekapitäne gibt es auch nur ganz wenige, genauso wenige wie Räuberhauptleute. Deshalb ist es wichtig, sich so zu kleiden, dass der Beruf sofort zu erkennen ist. Die Räuberhauptleute sind vom Aussterben bedroht, genau wie die Regenwälder und die Schneeleoparden.«
    Der Vortrag des Wilden Karlo dauerte so lange, dass Hele und Kalle, die bei ihren eigenen Troyer-Räuberei-Ideen begeistert aufgesprungen waren, sich inzwischen wieder auf ihre Klappstühle gesetzt hatten. Ich machte mir Notizen.
    » Wie muss so ein Pulli …, ich meine, ein Troyer, eigentlich sein?«, fragte ich.
    » Gute Frage! Sehr gute Frage!« Der Wilde Karlo geriet in Eifer und begann, auf und ab zu marschieren, als halte er eine Vorlesung. Aber das Traben brachte leider keine Gedanken hervor. Wieder und wieder murmelte er die Frage vor sich hin und versuchte, sein Gehirn, das sich offenbar total verweigerte, zum Nachdenken zu bringen. Vor Verzweiflung bekam er eine schrille und melodiöse Stimme. Er ging weiter auf und ab, schwang im Gehen die Zöpfe und hörte sich an wie ein Tenor, der sich einsingt: » Wie muss der sein, wi-mu-di-du, wiemussdersein …«
    Alle dachten angestrengt nach. Hilda strich sich eine Locke hinters Ohr. Gold-Piet fingerte am Ärmel seines eigenen Pullis und bewegte lautlos die Lippen. Dann ging Hele ein Licht auf, und sie versuchte, sich per Handzeichen zu Wort zu melden. Der Wilde Karlo sah es und wandte ihr den Rücken zu. Er wollte die Frage selbst beantworten.
    » Wie muss der sein!«, stellte er schließlich fest, blieb stehen und drehte sich triumphierend zu mir um. » Schreib auf.«
    Hele meldete sich immer noch und schnipste mit den Fingern, aber der Wilde Karlo stellte sich zwischen Hele und mich.
    » So muss er sein: schwarz. Mit langen Ärmeln. Nicht zu warm.«
    » Ist das alles?«, entfuhr es mir.
    Alle Augen schossen Blicke in meine Richtung wie tausend geschärfte Messer.
    » Also, ich meine: eine gute Liste!«, sagte ich schnell. » Gute Eigenschaften … besonders … die Ärmel. Ja, die Ärmel sind gut. Aber warum schwarz?«
    Mehr zurechtweisende Blicke. Hilda schüttelte den Kopf, um ihre tiefe Verzweiflung zu zeigen.
    » Ich frage nur, weil gerade Schwarz ja oft, also … ziemlich warm ist.«
    Als ich das gesagt hatte, war ich so nervös, dass ich beinahe ohnmächtig geworden wäre.
    » Das stimmt!«, sagte der Wilde Karlo. » Meine Güte, Hilda, wie schlau das Mädchen ist!«
    Plötzlich packte er mich – mir blieb fast das Herz stehen vor Angst –, hob mich hoch in die Luft und schwang mich dort oben umher wie die Fahne der eigenen Mannschaft bei einem Fußballspiel. » Dieses Kind hier ist das Beste, was uns seit Langem passiert ist.«
    Übertrieben vorsichtig stellte er mich wieder auf den Boden. » Warum du angeblich in die Schule gehen musst, werde ich nie verstehen. Was wollen die jemandem wie dir denn da noch beibringen!«
    Kalle machte ein jämmerliches Gesicht. Es sah nicht danach aus, als würde sein Traum von der Schule bald in Erfüllung gehen. Hele dagegen triumphierte. Die Worte des Wilden Karlo versprachen ihr weitere Jahre der Freiheit auf der Straße. Ich meinerseits dachte darüber nach, ob ich je wieder nach Hause kommen würde. Würde der Räubervater mich jemals gehen lassen?
    » Warum schwarz, fragt dieses kleine, kluge, strahlende Wesen hier, mich, den fürchterlichsten und bekanntermaßen einzigen echten Autoräuberhauptmann im ganzen Land«, sagte der Wilde Karlo mit zuckersüßer Stimme und griff mir ins Gesicht. Mit seinen riesigen Händen schob er meine Wangen nach vorn, bis ich einen Kussmund hatte wie ein Karpfen.
    » Darum schwarz, mein liebes Kind, weil Schwarz schlank

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