Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
zurecht, Schatz?«, fragte Mama.
» Ich muss ja«, sagte ich tapfer, obwohl ich mich genau in diesem Moment etwas mulmig fühlte.
» Das wäre erledigt«, sagte ich, als ich in den Räuberbus stieg. Der Wilde Karlo trocknete sich die Stirn mit einem Stofftaschentuch, groß wie ein halbes Bettlaken.
» Hast du Angst gehabt?«, fragte ich. Es sah aus, als sei er blass bis zur Nasenspitze.
» Nein, nein, mir tut nur der Rücken ein bisschen weh«, log er und gab Hilda ein Zeichen, damit sie den Bus anließ.
» Hast du Angst gehabt?«, fragte Hele eifrig, als wir mit Vollgas auf das Stadtzentrum zuhielten.
Ich schüttelte den Kopf.
Nun hatten wir die Innenstadt erreicht, und Hilda wirkte sehr nervös. An jeder Ampel ließ sie den Motor aufheulen und zog an den Schulterträgern ihres Tops. » Die Spiegelbrille«, sagte sie mit leiser und konzentrierter Stimme. » Karlo, gibst du mir bitte die Spiegelbrille aus dem Beifahrerfach. Und Hele, reich deinem Vater die Schirmmütze da vom Haken. Ihr anderen haltet euch von den Fenstern fern. Dieser Bus fällt einfach zu sehr auf.«
Hildas Feststellung war übertrieben. Die Kleinstadt war belebt wie an jedem ganz normalen Junitag; alle kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten, die älteren Leute trugen Einkaufstaschen mit Frühlingszwiebeln und Frühkartoffeln umher. Kinder standen an einer Eisbude Schlange. Familien mit Badetaschen radelten zum See. Eigentlich interessierte sich niemand für den schwarzen Lieferwagen, auch wenn in den Fenstern strangulierte Barbiepuppen hingen.
Ich sah in der Ferne das bekannte Leuchtschild des Videoverleihs.
» Dorthin«, wies ich mit der Hand. » Auf den Parkplatz bei diesem großen Einkaufszentrum.«
» Da sind viel zu viele Leute«, knurrte Gold-Piet. » Da kann man niemanden überfallen.«
» Jetzt überfallen wir auch keine Autos«, sagte ich stolz. » Das hier ist eine ganz neuartige Aktionsform.«
Hilda parkte den Bus so nah am Videoverleih, wie es nur ging.
» Soll ich die Maschine warmhalten?«, fragte sie begeistert. » Müssen wir danach schnell weg?«
» Nein, eigentlich nicht«, sagte ich.
Ich sah, wie ihr Gesicht vor Enttäuschung lang wurde.
» Mach den Motor ruhig aus, aber behalt die Hand am Zündschlüssel«, sagte ich. » Und sieh zu, dass niemand unnötig aufmerksam wird.«
Jetzt leuchteten Hildas Augen wieder.
» Ihr anderen, kommt mit!«, sagte ich.
» Mitkommen?«, fragte Kalle verblüfft. » Da rein?«
» Ich kann die Beute nicht alleine tragen«, sagte ich.
Als die Glocke über der Tür klingelte, erschrak Gold-Piet und tobte im Eingang umher, bis ich ihn beruhigen und in den Laden führen konnte, wo die Trägheit eines heißen Nachmittags herrschte. Wie in jedem Videoverleih waren die Regale voller DVD s. Die Kinderfilme hatten ein eigenes Regal, dann kamen Erwachsenenfilme, und in der entferntesten Ecke standen die gerade eingetroffenen Neuheiten. Abgesehen von den Filmen gab es Unmengen von Boxen mit Süßigkeiten. In zwei langen Reihen standen sie auf niedrigen Gestellen im Mittelgang. Jede Sorte lag lose in jeweils einer dieser würfelförmigen Plastikboxen mit aufklappbarem Deckel. Was man haben wollte, schaufelte man mit großen Kellen in Papiertüten, die an einem Haken am Anfang des Ganges hingen. An der Kasse wurden die Tüten dann gewogen, und man bezahlte nach Gewicht.
Die Räuberbergs brauchten eine Weile, um sich zu beruhigen und sich umzuschauen und bemerkten erst mit einiger Verspätung die Menge an Süßwaren.
» Bananenschiffchen«, sagte der Wilde Karlo, und der Unterkiefer klappte ihm runter.
» Lakritzschnüre«, Kalle schnappte nach Luft.
» Salmiakflöhe«, hauchte Hele sanft. Das verbuchte ich als echten Erfolg.
» Oh, ich bin gestorben und in den Himmel gekommen«, sagte Gold-Piet. » Alle Bonbons der Welt mit ihren Ahnen und Urahnen sind an diesem Ort versammelt!«
» Lasst mich nur machen«, sagte ich und ging mit trippelnden Schritten zum Tresen. Dabei hoffte ich, dass ich wie ein ganz normales Mädchen aussah. Sommerlich. Ich wusste, die ganze Räuberfamilie starrte mir hinterher.
» Hallo«, sagte ich. » Ich möchte meinen Kontostand prüfen. Mein Name ist Vilja-Tuuli Vainisto, und mein Vater hat mir hier ein Kundenkonto eröffnet.«
» Häh?«, sagte der junge Mann hinter dem Tresen und schob seine Kopfhörer nach hinten. Ich sagte meinen Spruch von Neuem auf.
» Das ist so lieb von meinem Papa, dass er mir das erlaubt hat«, sagte ich mit einem
Weitere Kostenlose Bücher