Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
mir keiner dabei zu, denn sie fürchteten solche öffentlichen Orte. Sie warteten lieber im Räuberbus und hatten versprochen, mir die Daumen zu halten.
» Wenn Sie sachdienliche Hinweise bezüglich unserer Tochter haben, rufen Sie bitte die in der Zeitung angegebene Hotline an, sie ist rund um die Uhr erreichbar. Eine Belohnung gibt es nur, wenn Sie dort anrufen. Das hier ist die Privatnummer der Vainistos«, antwortete Papa genervt.
» Ja, Papa, ich weiß. Hier ist Vilja, deine entführte Tochter, erinnerst du dich?«, sagte ich genauso genervt und fügte hinzu: » Zusammenfassung des peinlichen Zwischenfalles: Wir waren unterwegs zur Oma, und ihr habt es zugelassen, dass ich geklaut wurde. Ich wurde aus dem Auto gezerrt und weggetragen, und ihr habt nichts dagegen unternommen. Und wenn dieses Gespräch nicht bald Fortschritte macht, lege ich auf, was fatale Folgen hätte. Entführte Personen haben gewisse Verpflichtungen, das weißt du ja wohl.«
» Vilja!« Papa schnappte nach Luft. » Anna, komm schnell, Vilja ist dran!«
Ich hörte, wie der andere Hörer im Flur abgehoben wurde.
» Passt genau auf, was ich euch sage. Die Schurken, die mich geraubt haben, brauchen mich noch eine Zeit lang.«
» Ach, du meine Güte«, schluchzte Mama. » Unsere Tochter muss Zwangsarbeit leisten.«
» Ich werde gut behandelt und bekomme zu essen«, sagte ich. » Die Inserate in der Zeitung müssen aufhören. Ihr werdet sagen, ihr hattet ganz vergessen, dass ich zur Kajaani-Oma gefahren bin. Ihr merkt euch ja auch sonst nie, wo ich gerade bin. Das wäre nicht das erste Mal.«
» Aber das wäre ja gelogen!«, rief Papa.
» Dass ich ›verschwunden‹ bin, ist auch gelogen«, sagte ich streng. Das war ein gutes Gefühl. » Die Leute, die mich geraubt haben, übernehmen keine Verantwortung für die Konsequenzen, wenn das Geschmiere in der Zeitung nicht aufhört. Ihr Beruf erfordert, dass sie keine Aufmerksamkeit erregen.«
» Ich verspreche es«, sagte Mama. Es klang ängstlich. » Nichts kommt mehr in die Zeitung. Wir müssen nur Vanamo zum Schweigen bringen.«
» Bestecht sie«, sagte ich grausam. » Und noch etwas: Meine Verpflegung ist keineswegs kostenlos. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich so gut behandelt werde. Ihr müsst dafür zahlen.«
» Na also, jetzt geht es los«, sagte Papa verärgert. » Jetzt kommt die Lösegeldforderung.«
» Ganz dumm sind die nicht«, sagte ich. » Es wird keinerlei Geld übergeben. Das würde die Polizei mit Sicherheit bemerken.«
» Ach so?«, sagte Papa. Es klang erleichtert. Offenbar hatte ich ihn richtig eingeschätzt. Ausgezeichnet! Ich lachte mir ins Fäustchen.
» Jetzt kommen die Anweisungen«, sagte ich.
» Ich habe einen Stift«, sagte Mama. Sie war schon immer die Schnellere von den beiden. » Schieß los.«
» Ihr geht zu dem Videoverleih, wo wir ein Mitgliedskonto haben.«
» Wie bitte?«, fragte Papa.
» Hört zu«, sagte ich. » Da eröffnet ihr ein neues Konto auf meinen Namen. Weil ich noch minderjährig bin, erklärt ihr, dass ihr die Rechnung für alles bezahlen werdet, was über dieses Konto bestellt wird. Das müsst ihr im Lauf der nächsten Stunde machen.«
» Videoverleih?«, fragte Mama verblüfft. » Wollen deine Kidnapper Filme gucken?«
» Ja, oder ich selber«, sagte ich. » Ich hab schon ab und zu mal Pause bei meiner Zwangsarbeit.«
Durchs Telefon hörte ich den Stift kritzeln, mit dem Mama in enormem Tempo die Anweisungen aufschrieb.
» Das sagt ihr weder der Polizei noch Vanamo noch sonst jemandem«, sagte ich. » Sonst stößt mir vielleicht etwas zu. Jedenfalls geht ihr einmal die Woche zu dem Verleih und begleicht die Rechnung für die Ausgaben, die sich inzwischen auf meinem Konto angesammelt haben. Egal wie viel es ist.«
» Ob das wohl klappt?«, meinte Papa skeptisch.
» Das klappt«, sagte ich. » Du hast ja viel Einfluss, Papa, und kannst deine Beziehungen spielen lassen. Hilfe«, sagte ich, gespielt erschrocken. » Nehmen Sie die Waffe weg. Ich habe alles gemacht, was Sie verlangt haben ! Mama und Papa, ihr müsst einfach gehorchen. Ich schwebe hier in Lebensgefahr.«
» Oh mein Gott«, sagte Mama entsetzt.
» Und noch etwas. Auf dem Kontoauszug kann man vielleicht sehen, in welchen Orten wir gewesen sind, aber trotzdem dürft ihr mich nicht suchen. Wenn ihr keinerlei Anstalten macht, mich zu finden, könnt ihr mich gesund und munter wiederbekommen. Wahrscheinlich gegen Ende der Sommerferien.«
» Kommst du denn auch
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