Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Und Heles und Kalles Kinderzeit und die Spielsachen, die eines Tages einfach im Kinderzimmer liegen geblieben waren.
» Ja«, sagte Hele. Sie warf einen Berg Schinkenspeck aus dem Kühlschrank in die Schüssel mit den verrührten Eiern, und ich fragte mich, woher sie so genau wusste, wo alles war. » Das ist sehr praktisch, denn es hilft uns, umso schneller HIER WEGZUKOMMEN !«
Dann ließ sie den ultimativen Weckruf erschallen: Sie sprang mit einem Satz auf den Tisch und donnerte einen Kochtopf so fest an die Decke, dass er dort Spuren hinterließ.
» Sie hat wirklich eine gute Stimme«, sagte der Wilde Karlo, als er schnaufend die Treppe herunterkam. » Aus der wird einmal ein prima Räuberhauptmann.«
» ICH werde Räuberhauptmann«, sagte Kalle und schlüpfte auf den Stufen an seinem Vater vorbei.
» Ihr werdet beide Hauptleute!«, sagte der Wilde Karlo. » Solange ihr euch nicht gegenseitig ausraubt, ist doch alles paletti!«
Wir aßen ein leckeres Räuberfrühstück, Rührei, Speck und Frikadellen, und der Wilde Karlo aß natürlich alles auf Knäckebrot und mit einem gewaltigen Streifen Senf. Der Bus war in wenigen Minuten gepackt. » Wir sehen uns, wenn’s kalt ist«, sagte der Wilde Karlo und schmatzte einen dicken, feuchten Kuss auf Kaijas Wange.
» Wenn’s kalt ist, sehen wir uns!«, sagte Kaija. » Und jetzt seid beispielhaft furchterregend!«
Dann lachte sie wieder so grauenhaft meckernd und winkte uns zum Abschied hinterher, als der Räuberbus mit quietschenden Reifen losfuhr.
» Vor dem Sommerfest müssen wir mindestens ein Auto ausrauben«, sagte Kalle. » Ich habe noch kein eigenes Messer, und ich werde diesen Herbst zehn. Ein Räuber muss doch ein Messer haben!«
» Ach, hat Kaija euch gar nichts gesagt?«, rief Hilda von vorn und bog mit einem eleganten Handbremsenschwung auf die Hauptstraße ein. Wir klammerten uns alle routiniert an den Haltegriffen fest, um nicht an der Seitenwand des Wagens plattgedrückt zu werden. » Mir hat sie gesagt, dass sie Geschenke für euch unter die Sitzbank gelegt hat. Es ist wohl was für das Sommerfest, aber ihr könnt sie bestimmt schon auspacken.«
Sie wühlten unter der Sitzbank. Kalle fand seins als Erster. Dann Hele. Sie starrte mich an, als wäre ich blöd. » Warum suchst du denn nicht?«, sagte sie. » Manchmal glaube ich, du hast gar nichts gelernt! Ist doch wohl KLAR , dass du auch ein Paket kriegst.«
Ich betastete die Unterseite der Sitzbank, und tatsächlich, da war mit Paketklebeband ein kleines Päckchen befestigt. Obenauf klebten eine Schleife und ein Kärtchen, auf dem in schöner Handschrift Vilja stand. Wann hatte Kaija die Sachen nur einpacken und verstecken können? Sie war mit mir zusammen die halbe Nacht aufgeblieben und am Morgen erst nach mir aufgewacht. Es schien in der Sippe Räuberberg noch andere Ausnahmeexemplare zu geben als die in allem perfekte Hele. Kalle hatte inzwischen sein Paket aufgefummelt, und darin lag ein prächtiges Messer mit grauschwarzer Klinge.
» Wow, ein Kohlestahlmesser!«, sagte Hele. » Das hält praktisch ewig, wenn du damit keine Dummheiten machst.«
Sie riss ihr Päckchen mit einer einzigen Bewegung auf. » Ein Schmetterlingsmesser!«, sagte sie anerkennend.
Das Messer steckte sozusagen zwischen den zwei Hälften des Griffes. Wenn man diese Griffe nach hinten bog, wurden sie zu einem stabilen Knauf für das Messer.
» Ein fabelhaftes Zweitmesser für spezielle Anlässe«, sagte sie und begann zu üben, das Messer mit einer achtförmigen Handbewegung auszuklappen. Nach höchstens sekundenlangem Training sah sie mit ihrem Messer aus wie ein japanischer Krieger.
» Boss, deine Schwester hat wirklich einen guten Geschmack bei Messern!«, sagte Gold-Piet bewundernd.
Rasch, bevor die Blicke der anderen sich auf mich richten konnten, öffnete ich mein Päckchen, indem ich das Klebeband so abzog, dass das Papier kein bisschen raschelte. Aus den Jahren mit einer neidischen großen Schwester war ich schlau geworden. Mein Messer steckte in einer hellen Lederscheide. Es hatte einen harten Holzgriff und die schönste Klinge der Welt. Die Klinge war an beiden Seiten scharf, aber sie war verziert: eingravierte Blüten und Ranken wanden sich darauf.
» Ein Mädchenmesser«, schnaubte Hele verächtlich. » Du musst Klebeband um den Griff machen, Holz rutscht einem leicht aus der Hand.«
» Na, jetzt können wir aber zum Räuberfest fahren!«, sagte der Wilde Karlo feierlich.
Ich hatte mir vorgestellt,
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