Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Eltern davon abzubringen, aber sie hatte am allermeisten Schokolade im Bauch. Wie in allen anderen Dingen war sie auch im Spiel unbesiegbar. Hele hatte ein fantastisches Händchen für den Würfel.
» Na klar bleiben wir, Schwesterchen«, sagte der Wilde Karlo. » Ein tolles Spiel, das Schokoladenwürfeln. Genauso räubermäßig unfair wie Kniffel. Viele glauben, das ist ein Glücksspiel, aber in Wirklichkeit ist es ein Geschicklichkeitsspiel. Im Bus gibt es da immer wieder Diskussionen, weil ich jedes Mal gewinne. Aber man kann doch nichts dafür, wenn man etwas einfach unbezwingbar gut kann, oder?«
Kalle knuffte mich in die Seite. Ganz offensichtlich war dem Wilden Karlo nicht so bewusst, dass wir anderen uns stets bemühten, haushoch gegen ihn zu verlieren. Nach dem Spiel sagte Kaija, im oberen Stockwerk seien die Betten schon gemacht. » Hele, Piet und Kalle, ihr könnt auf den Dachboden gehen, Karlo und Hilda bekommen mein Zimmer.«
» Und du?«, fragte Kalle erstaunt.
» Ich schlafe hier auf dem ausziehbaren Sofa, zusammen mit Vilja«, sagte Kaija und zwinkerte mir zu.
» Wir können dir doch nicht dein Bett wegnehmen«, sagte Hilda.
» So ein Quatsch. Ihr bekommt ja nur ein, zwei Mal im Jahr ein ordentliches Bett zum Schlafen«, sagte Kaija. » Keine Widerrede und kein Mitleid. Von wegen › Ach die alte Tante, ist so schlecht zu Fuß und wohnt ganz allein hier draußen im Wald. Ob sie wohl nicht mehr ganz klar im Oberstübchen ist, sie lacht so viel über ihre eigenen Geschichten?‹«
Dann lachte sie genüsslich ein meckerndes Lachen. Wir standen alle wie am Boden festgefroren.
» Nun geht schon!« Kaija wurde wieder ernst. » Ich schlafe oft hier unten, wenn ein Buch fast fertig ist. Da kann ich herumlaufen und zwischendurch immer mal Nachtluft schnappen. Das mache ich auch, wenn ich alleine bin. So was Besonderes seid ihr nicht.«
Dann lachte sie wieder meckernd. Wenn die eiserne Hakenhand von Käpt’n Hook in einem Gelächter aufblitzen könnte – dann in diesem.
Kaija machte mir noch eine Tasse Tee, in die sie ohne zu fragen drei Löffel Honig hineinschaufelte. » Wenn du in dem Räuberbus mitfährst, wirst du allmählich gelernt haben, Süßes zu mögen.«
Wir setzten uns auf die Terrasse. Es war immer noch nicht sehr kühl. Kaija zeigte auf einen kleinen Kühlschrank in einer Ecke der Veranda. » Da ist Karlis Senf für ein halbes Jahr drin. Man kann fast die Uhr danach stellen, wann er wieder eintrudelt«, sagte Kaija. » Das nächste Mal, wenn der erste starke Frost kommt.«
Ich schaute hinein. Ein ganzer Kühlschrank voller Kastell-Senf. Kaija saß zufrieden in ihrem Korbstuhl und zog sich eine Wolldecke um die Beine zurecht. Wir saßen lange schweigend da.
» Es lohnt sich nicht, das Räuberleben liebzugewinnen«, sagte Kaija in die Stille. Sie sah mich gewaltig scharf an, und ich hatte das Gefühl, als schrumpfte ich in meinem Stuhl auf die Größe eines Regenwurms.
» Wollen Sie damit sagen, dass ich für die Räuberei nicht tauge?«, fragte ich. » Wenn ich völlig unbrauchbar wäre, dann hätten sie mich ja wohl schon längst an irgendeiner Tankstelle ausgesetzt!« Ich war so verunsichert und nervös, dass ich vom Stuhl aufsprang, um wenigstens ein bisschen größer zu sein.
» Ja, da hast du wohl recht!«, meckerte Kaija. Dann wurde sie wieder ernst. » Ich will damit nur sagen, dass man im Sommer ein falsches Bild von der Sache bekommt. In der Winterzeit ist die Räuberei kein Zuckerschlecken. Der Bus bleibt im Schnee stecken, in den Sommerhäusern ist es kalt, und um den Jahreswechsel herum ist auf den kleinen Straßen überhaupt kein Verkehr mehr.«
» Das halte ich schon aus«, behauptete ich tapfer. Doch ich wusste, wenn die Herbststürme anfingen, würde ich wieder zu Hause sein.
Das war aber ein Gedanke, den ich nicht denken wollte.
» Karli hält es aus, weil er es selbst gewählt hat«, sagte Kaija. » Bei Hilda weiß ich nicht recht. Vielleicht weil sie Karli glücklich machen will und die Kinder.«
» Die halten einfach alles aus!«, widersprach ich. » Sie können es nicht wissen, weil Sie nie dabei waren. Sie kennen nicht das Gefühl, wenn der Bus mit Schwung herumgeworfen wird und man brüllend rausspringt.« Ich schwenkte die Arme und fuchtelte mit den Händen herum, als hielte ich den entsetzlichsten Räubersäbel in den Händen.
» Karli, also der Wilde Karlo, ist nicht immer Räuberhauptmann gewesen«, sagte Kaija. » Aber bald ist alles andere so lange
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