Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Wettkampf durchgeführt. Erst muss jede Teilnehmerin eine Quiche backen. Die wird in so viele Teile geteilt, wie Kämpferinnen da sind, meistens so sechs bis acht, und dieses Jahr auch noch ein Stück für die Jury. Die erste Phase ist die Wertung. Da gibt es Punkte für Geschmack und Aussehen der Quiche. Die zweite Phase ist das Quiche-Essen. Jede Teilnehmerin isst je ein Stück von den Quiches der anderen, also insgesamt sechs bis acht Stücke. Man darf keins übriglassen, sonst wird man automatisch disqualifiziert.«
Ich machte mir Notizen. Bei dem Versuch, mit Heles Diktat Schritt zu halten, brach mir die Bleistiftmine ab.
» Die dritte und letzte Phase des Wettkampfs ist das Ringen. Alle kämpfen gegen alle, aber in Zweier-Runden, und zwar sofort nachdem sie die Quiches gegessen haben. Die Regeln entsprechen denen fürs Freistilringen. Dann werden die Punkte aus der Quichephase und der Ringkampfphase zusammengezählt, und diejenige, die am meisten Punkte hat, ist Q & R-Meisterin und darf diesen Titel auf ihren Wagen lackieren, wenn sie will.«
Ich ließ meinen Blick über alle Fahrzeuge schweifen, die ich von meinem Platz aus sehen konnte. » Von diesen ist es jedenfalls keine?«
» Natürlich nicht«, schnaubte Hele. » Hilda gewinnt jedes Jahr. Einmal hatte sie den Arm in der Schlinge und hat trotzdem gewonnen. Das ist ein wilder, brutaler, großartiger Wettkampf! Solltest du dir ansehen. Morgen um drei.«
» Willst du das später auch machen?«
Da starrte Hele mich auf eine Weise an, die ich aus unseren ersten gemeinsamen Tagen kannte. Ich spürte, wie meine Gesichtsmuskeln unter diesem feindseligen Blick langsam geröstet wurden. Aber Hele wurde schnell wieder milde, als ihr offenbar klar wurde, wie wenig ich von der ganzen Veranstaltung wusste.
» Ich und Quiche backen? Denk mal nach!«
Schließlich war Hele voll bewaffnet, und wir machten uns auf zu einem Rundgang über das Gelände. Besonders furchterregend war das Lager der Pärnänen-Sippe hinter dem Lärmschutzzaun. Es war das größte von allen. Der Lärm, der daraus hervorquoll, war ohrenbetäubend. Gerade bog dort noch eine Wagenladung jüngerer Leute ein, Teile des Zaunes wurden abgerissen und, sobald der neue Bus an der richtigen Stelle stand, blitzschnell wieder aufgebaut.
» Deren Ruhm ist keinen Pfifferling wert«, sagte Hele und lutschte an ihrem Lakritzlolli, einem der letzten, die vom Kiosküberfall übrig waren. Wir gingen an dem Lärmschutzzaun entlang. Auf der anderen Zaunseite tauchte der kleine Hund auf, den die Pärnänen auf dem Arm gehabt hatte, und bellte. Trotz der Hitze trug er noch immer die Lederweste mit dem P.
» Die Pärnänens haben eben diesen großartigen Urahnen, aber das war es auch schon. Der Boss und Piet sind ja die größten Fans von dem. Dabei ist der nicht mal mehr fit genug, herzukommen. Der ist wohl irgendwo im Pflegeheim oder sogar schon tot, aber darüber darf man nicht sprechen.«
Der Hund bellte schrill hinter uns her, und Hele warf ihm ihren Lutscherstiel zu, auf den sich das Tier wütend stürzte. In diesem Moment öffnete sich der Zelteingang, und ein älterer Mann, so in den Vierzigern, kam heraus. Er trug kein Hemd oder T-Shirt, nur eine offene P-Weste hing ihm über die Shorts.
» Was glotzt ihr so?«
Er klemmte sich den Hund unter den Arm und roch prüfend am Lutscherstiel, ob der nicht etwa vergiftet war.
» Wir gucken uns nur mal um«, sagte Hele.
» Na, jetzt habt ihr geguckt, und jetzt wisst ihr, dass ihr hier am falschen Ort seid. Die Pärnänens geben nur eine Vorwarnung!«, sagte der Mann und zeigte mit dem Finger auf uns.
Er umarmte den Hund und trug ihn ins Zelt.
» Das ist der neue Co-Pilot von denen«, sagte Hele. » Der Boss ist im Hauptzelt, so ein Dicker mit Glatze, auch mit P-Weste. Jedenfalls wird er Boss, wenn sie wissen, was gut für sie ist. Falls sie irgendwann diese Mumie auf dem Chefsessel loswerden.«
» Der Boss hat dieselbe Weste wie sein Hund«, kicherte ich.
Ein Stück weiter standen mehrere lilafarbene Busse, die auf den hinteren Stoßstangen aufgemalte Messer trugen.
» Vor denen muss man sich in Acht nehmen«, sagte Hele leise und zermalmte den Rest ihres Lutschers zwischen den Zähnen. » Die Fliegenden Stilette. Von der Westküste. Immer wenn man in die Gegend von Oulu oder Pietarsaari kommt, tauchen zwei, drei Busse von denen auf wie aus dem Nichts.«
Als wir an diesem Lagerplatz vorbeischlenderten, ging die Seitentür eines Lieferwagens auf, und
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