Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
lassen könnte. » Der Wilde Karlo wäre außer sich, wenn ich entwischen würde«, sagte ich. » Ich bringe euch doch Nutzen!«
Plötzlich musste ich fast darum betteln, mit ihr zusammen von hier fortgehen zu dürfen.
» Wie du willst«, sagte Hele und zuckte die Schultern. » Ich hab ja nur gesagt, ich könnte. Nach diesem Sommerfest wird es eigentlich ziemlich langweilig. Immer dieselbe Überfallerei, ein paar Sommerhäuser und so. Vielleicht eine kleine Erpressung. Ein paarmal Flucht. Eben Alltag.«
Eine Familie mit zwei kleinen Kindern, die beide ein Eis leckten, kam aus dem Tankstellencafé. Es war ziemlich heiß, das geschmolzene Eis lief dem kleinen Jungen über die Hand. Eine der Türen stand offen. Ich hätte nur hineinzuschlüpfen brauchen. Da begriff ich.
» Du lügst!«, rief ich triumphierend. » Du gemeines Biest, du tust ja nur so! In Wirklichkeit bist du Feuer und Flamme!«
» Natürlich«, sagte sie selbstzufrieden. » Ich wollte nur sehen, ob du es auch bist.«
Blitzschnell schlich sie unter den Fenstern entlang, richtete sich auf und lief davon. Ich folgte ihr. Wir rannten das kurze Stück Hauptstraße bis zum Sportpark. Unterwegs erklärte Hele mir, wie wir die restlichen Räuberbergs dazu bringen würden, mitten während des Sommerfestes eilends abzureisen.
» Für Hilda ist es natürlich ärgerlich, das Finale zu verpassen«, sagte Hele, » aber sie würde ohnehin gewinnen, einfach weil sie so viel Erfahrung hat. Nächstes Jahr sieht das schon ganz anders aus. Diese A-Ka ist ein starker Gegner.«
Ich bemerkte erstaunt, dass ich dank des Räubertrainings der letzten Wochen beim Joggen nicht mehr außer Atem geriet und sogar gleichzeitig ein Gespräch über unseren Plan führen konnte. Kalle und Gold-Piet vom Sommerfest loszueisen, würde am schwierigsten werden, da waren wir uns einig. Kalle führte ja nach Punkten. Der Modellbauwettbewerb des armen Piet fing gerade erst an, und er hatte sein Modell und uns die ganze Nacht bewacht, ohne ein Auge zuzutun.
» Im schlimmsten Fall kommt Piet mit dem Zug nach, und wir müssen ihn später an einem Bahnhof abholen«, sagte Hele. » Warten können wir nicht. Wir haben höchstens eine Viertelstunde Vorsprung.«
Da prasselte es im Funkgerät. Hele schreckte auf und zog es blitzschnell aus der Potasche. Wir hörten Hildas Stimme, aber es waren zu viele Störungen.
» Irgendwas ist passiert«, sagte Hele. » Sonst würden sie nicht anrufen.«
Wir rannten mit Höchstgeschwindigkeit weiter.
Der gesamte Sportpark befand sich im Ausnahmezustand. Die Räuber, die bei den Wettbewerben zugeschaut hatten, waren zu ihren Wagen zurückgekehrt. Der Motor des Räuberbusses lief, und Hilda ließ ihn hochtourig aufheulen. Unser Lager um den Bus herum war verschwunden. Alle Leute aus den beiden großen Zelten in der Mitte hatten sich auf dem Sandplatz versammelt und brüllten durcheinander. Ich sah den Wilden Karlo mitten in der streitenden Menschenmenge, er schrie am lautesten von allen. Bei den anderen Wagen wurde auch zusammengepackt, die Pärnänens brachen mit lautem Geschepper ihre Lärmschutzwände ab, Hanna von den Fliegenden Stiletten hing auf der Leiter außen an ihrem Bus und gab ihren Leuten schreiend Anweisungen. Schlafzelte wurden abgerissen, Campingtische knallend zusammengeklappt, alle Leute rannten. Überall im Lager warfen sie dem Bus der Räuberbergs finstere Blicke zu. Es sah aus, als bereiteten sich die anderen Lager darauf vor, uns zu verfolgen.
» Papa, komm endlich!«, schrie Kalle, der an einem Wurfgriff hing. » Wir müssen los!«
Was um Himmels willen war während unserer kurzen Anwesenheit passiert? Hatten die Räuberbergs sich als so übermächtig erwiesen, dass das gesamte übrige Räubervolk gegen sie rebellierte? Womit nur hatte der Wilde Karlo unvorsichtigerweise geprahlt?
» Mädchen, bleibt da!«, rief Hilda uns zu. Sie trug immer noch ihr Ringertrikot, kurbelte das Seitenfenster herunter und hing im Führerhäuschen – den Fuß ständig auf dem Gas und eine Hand am Lenkrad – bereit zur Abfahrt.
Das Wortgefecht vor den Mittelzelten wurde schlimmer. Die Leute drohten mit geballten Fäusten, das Geschrei wurde allmählich zur Prügelei. Die Räuber tasteten nach ihren Messern am Gürtel, und endlich konnte der Wilde Karlo sich entschließen zu fliehen.
» Versucht es doch!«, brüllte er und sprang mit fünf gewaltigen Sätzen zum Bus. » Probiert es nur, ihr Nichtskönner! Ihr Angeber!«
Inzwischen hatte er den
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