Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Kolu
Vom Netzwerk:
verließen, blickte ich mich um und sah das Bettlakenbanner im Wind flattern.
    NETZWERK-MARKETING FINNLAND SOMMERTREFFEN
    Auch wer nur flüchtig hinschaute, sah unweigerlich, dass auf dem Platz etwas ganz anderes vor sich ging. Dunkel gekleidete Räuber schlüpften in ihre Busse, aus dem Zelt hörte man den Lärm der sich streitenden BeWe-Kämpfer, der minimale Wachhund in Pärnänens Lager versuchte zu bellen, was sich aber wie ein heiseres Jaulen anhörte.
    » Sind die Sicherheitsvorkehrungen nicht ein bisschen lasch?«, fragte ich, während wir die Straße entlang auf eine Tankstelle zugingen. » Habt ihr mal überlegt, was passiert, wenn jemand merkt, was hier läuft, und alle werden verhaftet?«
    » Wie ich schon sagte, Räuber sind ab-so- LUT keine besonders intelligenten Leute«, sagte Hele und bückte sich unter dem Tankstellenvordach, um ihre Stiefel neu zu schnüren. » Sie meinen, wenn das Lager schreckenerregend genug ist, werden sich keine Außenstehenden dorthin verirren.«
    » Hey«, sagte sie, plötzlich voller Energie und mit einem unheilvollen Funkeln in den Augen, » hast du schon mal einen Tankstellenüberfall gemacht?« Sie winkte mir, ihr zu folgen, und wir trippelten leichtfüßig auf das Tankstellengebäude zu. Direkt vor dem Ladencafé blieben wir stehen.
    » Sag, wie würdest du es anfangen, wenn du das hier überfallen wolltest?«, fragte Hele oberlehrerhaft. » Welche Faktoren müssen wir berücksichtigen, wenn wir in zwei Minuten zur Vordertür reingehen und alle Süßigkeiten rausholen, die sie haben?«
    Ich ließ meinen Blick über die Überwachungskameras wandern, die Tür zum Personalraum, die Doppeltür zur Terrasse, von der die eine Hälfte mit einem Keil aufgestellt war.
    » Das hier ist BeWe in der Praxis«, sagte Hele und warf sich in die Brust.
    Genau in diesem Moment prallte mein prüfender Blick auf eine bekannte Gestalt. Ich musste dreimal hinschauen, bevor ich glaubte, was ich sah. In der Schlange an der Kasse stand, sommerlich gekleidet, mein Vater, Jouni Vainisto.

Kapitel 14
    in dem alles schiefgeht und die Räuberbergs auf der Flucht sind
    I ch ging hinter dem Fenster in die Hocke, damit Papa mich nicht sah. Gerade zeigte er dem Tankstellenmitarbeiter ein Bild von mir, und der gestikulierte in Richtung Sportpark. Nur ein kurzer Spaziergang in diese Richtung, und Papa würde den Räuberbus finden. Er sah ärgerlich aus, schwitzte und wirkte auf seine typische Weise so, als wollte er dringend irgendwo anders sein.
    Im Grunde hätte ich nicht überrascht sein dürfen, ihn hier zu sehen. Mich zu verfolgen, war einfach. Man brauchte nur der Bonbonspur zu folgen, indem man auf dem Konto beim Videoverleih nachsah, wo die letzte Süßigkeitenfuhre gekauft worden war. Wir hatten am Vortag in der nächsten größeren Stadt eine ordentliche Ladung besorgt. Viel zu nah. Ich war unvorsichtig geworden.
    In den ersten Wochen hatte ich mir viele Male vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn Papa und Mama kämen, um mich zu retten. Ich hatte geglaubt, es würde ein gutes Gefühl sein. Nun war es gar kein Gefühl. Um ehrlich zu sein, ärgerte es mich maßlos.
    » Ein guter Spürhund, dein Vater«, sagte Hele, die jetzt neben mir hockte. Ich hatte beinahe vergessen, dass sie dabei war. Dass sie meinen Vater wiedererkannte, obwohl sie ihn nur kurz durchs Fenster des Räuberbusses gesehen hatte, beeindruckte mich.
    Drinnen rieb sich mein Vater die Stirn und kaufte sich einen Kaffee und ein Eis. Zum Glück setzte er sich damit an einen Tisch in der Nähe der Kasse und nicht ans Fenster, denn dann hätten wir schnell sein müssen. Er blätterte in einer Zeitung und schien nicht zu spüren, dass die Tochter, die er suchte, ihn aus wenigen Metern Entfernung anstarrte. Ich sah, wie rot sein Gesicht war.
    Na klar, er hatte herkommen müssen. Na klar, es fuchste ihn, erpresst zu werden. Bis dahin hatte ich gern verschwunden sein dürfen, aber sobald es Jouni Vainisto an sein Geld ging, begann es ihm auch gegen die Ehre zu gehen. Deshalb war er gekommen. Nicht meinetwegen.
    » Und?«, fragte Hele. » Was machen wir?«
    Sie schlich am Fenster entlang zu den Türen.
    » Du könntest jetzt einfach reingehen, und ich würde im Bus sagen, dass du entwischt bist«, sagte Hele. » In Wirklichkeit entwischt mir zwar nie jemand, aber ich weiß schon, wie ich lügen muss, damit der Boss mir ganz bestimmt glaubt.«
    » Was?«, sagte ich verblüfft. Mir war gar nicht in den Sinn gekommen, dass Hele mich laufen

Weitere Kostenlose Bücher