Villapark - Koestlbachers zweiter Fall
Essen und ein bisschen Fernsehen. Aber trotzdem liebe
ich meine Familie über alles, auch wenn’s nicht ganz so danach aussieht.
Und drum habe ich da auch meinen Schwachpunkt. Wenn mir einer über meine
Familie ans Leder will, dann bin ich plötzlich nicht mehr der coole
Kriminaler, der alles im Griff hat.
Und irgendwie war’s drum auch gar nicht verwunderlich, dass mich eines
Tages einer über meine Schwachstelle erwischt hat oder zumindest versucht
hat, mich zu erwischen.
Wenn mich damals auf dem Domplatz die Anna nicht angerufen hätte, dann
hätte ich das alles vielleicht gar nicht durchmachen müssen. Aber der Anruf hat
mich einfach total erschreckt und sich deshalb vermutlich in mein Unterbewusstsein
so tief eingegraben!«
›Die Clara ist entführt
worden!‹ , mehr hatte die Anna nicht herausgebracht, als sie
mich angerufen hat, als ich gerade mit dem Liebknecht auf dem Domplatz in der
Hitze gestanden habe, weil wir gedacht haben, in der Gothicgruppe einen Mann
finden zu können, der mit dem Mordfall Doris Münzer was zu tun haben
könnte.
Im Normalfall, da wäre ich ja gar nicht zum Domplatz gefahren, schon
gar nicht bei der Hitze draußen. Nicht, dass es in meinem Büro besonders kühl
gewesen wäre, aber tausendmal angenehmer als in der Innenstadt
bestimmt. Aber wenn du als Leiter der Kripo, zumindest wenn du außer Acht
lässt, dass die eigentliche Leitung der Dr. Huber hat, der allerdings mehr
repräsentative Aufgaben erfüllt und alle kriminalistische Arbeit auf
mich abgewälzt hat, wenn du also als Einsatzleiter nach fast 2 Monaten
ermittlungstechnisch so gut wie auf der Stelle trittst und keinerlei brauchbare
Ergebnisse vorweisen kannst, dann fällt dir im Büro einfach langsam die Decke
auf den Kopf. Da hilft auch eine noch so gut montierte Pinnwand
nichts, wenn die paar Fähnchen, die du da bisher hingesteckt hast keine
wirkliche Spur markieren.
Nach dem Anruf der Anna bin ich auf dem schnellsten Weg nach Hause gerannt!
Ja, lach nicht! Ich bin wirklich gerannt! Ich hatte nur 2 Gedanken:
›Wer ist der Saukerl, der mir
meine Clara entführt hat?‹
›An was bin ich so nah dran,
dass man meine kleine Tochter entführt, um mich unter Druck setzen zu
wollen?‹
Der erste Gedanke erfüllte mich mit einer Wut, die ich bei mir selbst gar
nicht vermutet hätte. Weil, im Grunde genommen bin ich ein sehr
friedfertiger Mensch. Fast zu friedfertig für einen Kriminaler, der schon von
Berufs wegen quasi nicht gerade in friedlichen Bahnen. Aber jetzt, in dem Moment,
ich glaube, ich wäre jetzt durchaus in der Lage gewesen, ohne zu zögern, einen
tödlichen Schuss abzufeuern. Und ich wusste auch genau, auf wen ich meine
Dienstwaffe richten würde. Auf den Scheißkerl, der meine Clara hatte! Da gäb’s
kein langes Fackeln, falls der meiner Clara auch nur ein Haar gekrümmt
hätte.
Wenn du da so Krimis am Fernsehen siehst, oder den einen oder anderen
Thriller ließt, dann kannst du ja leicht den Eindruck bekommen, dass
Entführungen quasi überall an der Tagesordnung. Das mag in einigen Großstädten
wie New York, London, oder Berlin vielleicht schon der Fall sein, aber in
Regensburg, da kennt man zwar das Wort Entführung, verbindet damit jedoch
kaum einen konkret erinnerbaren Fall. Und wenn doch, dann sind das meistens
keine solchen Entführungen, wie im Fernsehen oder in der
einschlägigen Literatur. In aller Regel sind es dann geschiedene
Ehemänner, denen das Sorgerecht für ihren Nachwuchs vom Gericht abgesprochen
worden war und die dann, aus einer gewissen Verzweiflung heraus, ihre
Tochter oder ihren Sohn von der Schule abholen und zumindest vorübergehend ein
unerlaubtes Sorgerecht ausüben.
Die Polizei wird von den Müttern meistens recht schnell eingeschaltet. Aber
du kannst dir vorstellen, dass die nicht gerade erfreut sind, solche im
Grunde genommen doch recht familiären Probleme zu lösen, auch wenn die hundert
Mal aus rechtlicher Sicht den Tatbestand einer Entführung erfüllen.
Meistens finden sich die abhandengekommenen Zöglinge überraschend schnell
wieder ein, auch ohne großartige Polizeiaktionen, weil den
Entführervätern der eigene Ableger viel zu anstrengend wird.
Und so habe ich zwar schon die eine oder andere Erfahrung im Lösen von
Gewaltverbrechen machen können, hingegen noch keinen einzigen wirklich
klassischen Entführungsfall zugewiesen bekommen.
Trotzdem, Vorgehensweise klar wie Rinderbrühe! Im Gegensatz zu einer
Mordsache, brauchst du den Entführer nämlich nicht
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