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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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standen. Die Bildwände gaben fraktales Geflimmer von sich und gingen aus. Erstaunt nahm Lafayette wahr, wie sich die aufgemalten Streifen unter seinen Füßen langsam verbreiterten; etwas zerrte am Metall, aus dem das alles gebaut war. Natürlich, fiel es Lafayette ein, natürlich gab es eine Möglichkeit, alle Antilopen der Savanne in ein und dieselbe Richtung laufen zu lassen. Man musste nur einen Brand legen, der groß genug war. Man musste nur an der richtigen Stelle angreifen.
    Dann blickte Lafayette hoch und sah einen stählernen Träger auf sich zurasen, zwei Meter breit und einen halben Meter hoch. Das Ding durchschlug seinen Körper, als wäre er nur ein Blatt Papier, und bohrte sich in die Wand hinter ihm. Lafayette schaute an sich herab. Unterhalb des Bauchnabels gab es ihn nicht mehr. Da war nur kalter grauer Stahl, der sacht vibrierte. Seltsamerweise spürte Lafayette keinerlei Schmerz, außer in den Armen. Erst in diesem Augenblick, kurz ehe sein Denken aufhörte, begriff Lafayette, dass er sterben würde, dass sein Leben beendet war, jäh abgeschnitten durch einen heimtückischen Angriff. Er würde genauso sterben wie die Frau, mit der er sich vor wenigen Minuten gestritten hatte. Er würde genauso sterben wie die Frau, die er liebte. Seine Nachricht würde sie nie erreichen, würde eingefroren bleiben in irgendeinem Speicher und verglühen beim Eintritt in irgendeine Atmophäre. Beim Gedanken an Eliza spürte er Bedauern.
    Er blickte auf. Dieser Raum war aufgeschlitzt worden wie eine Konservendose, und seine Wände klafften weit auseinander. Lafayette sah den Planeten. Eine wolkenverhüllte Kugel schwebte majestätisch und geheimnisvoll vor Sternbildern, die er nie gesehen hatte. Beinahe hätte er gedacht, durch ein riesiges Fenster direkt ins Weltall zu blicken. Aber da war kein Fenster.
    Das nahm Lafayette noch wahr, ehe der Dauerfrost des Alls seinen verbliebenen Körper in Eis verwandelte. Zu schnell, als dass Lafayette die Augen schließen konnte. Sie gefroren so, wie sie waren. Zwar wurden seine Pupillen in der Kälte des absoluten Nullpunkts stumpf, das Licht der Sterne schimmerte dennoch matt in ihnen wider.

8. Schrott
    »Sprich«, sagte Tina kühl und gab das letzte der Fotos an ihren Nachbarn weiter. Die Regierung war versammelt, schockiert von den Bildern. Der Tisch war leer, keine Kaffeetassen von Serafim, keine Unordnung. Aufklärung wurde erwartet. Die Freude über die Beute aus dem Gebirge war gering, zumal nach wie vor die Rückkehr der zweiten Gruppe ausstand.
    »Für den unwahrscheinlichen Fall«, sagte Eliza, »dass ein Weltenkreuzer so stark beschädigt wird, dass kein Mensch darin mehr lebt, gibt es ein Programm im Schiffshirn – und damit in sämtlichen Rechnern, die zum Inneren Netz gehören –, das, einmal gestartet, alle anderen Programme dominiert. Dieses Programm heißt Selbst-Belebung und zielt, vereinfacht gesagt, auf den Bau eines neuen Schiffes ab. Selbst wenn nur ein einziger Roboter übrig ist: Er setzt einen zweiten instand, diese zwei jeder weitere drei oder vier, dann machen sie einen IN-Rechner arbeitsfähig. Der leitet fortan gemäß Programm die Roboter an, und der Wiederaufbau greift auf diese Weise um sich wie, ja, wie ein Virus. Es mag Jahrzehnte oder länger dauern, ehe die VILM VAN DER OOSTERBRIJK wieder flugfähig ist, aber sie wird es wieder sein. Irgendwann.« Stille im Raum. Ungläubige Blicke. Schulterzucken. Diese Leute waren Siedler, keine Techniker. Diese Leute stammten von Serafim, wo Familie und Landwirtschaft das Wichtigste waren. Computerspezialisten stammten meistens von anderen Welten; oder sie waren die schwarzen Schafe ihrer Sippe. Die Zentralierin bemühte sich sehr, es so einfach wie möglich auszudrücken. »Das Elend hier ist«, sprach Eliza weiter, »dass die Selbst-Belebung sich ohne Anlass aktiviert hat. Es lebten ja noch Menschen an Bord. Und als die im Segment Eingeschlossenen ihr SOS-Signal abschickten, war das für das bereits laufende Programm nurmehr eine Störung. Wie gesagt, alle anderen Programme werden dominiert. Die Störung wurde durch die Abschaltung des Segmentes beseitigt.«
    Tina hatte als Erste weitergedacht: »Ich verstehe dich richtig, hoffe ich: Irgendwo da draußen, in diesem Trümmerhaufen, diesem Gebirge, steckt also ein funktionierender Rechner oder ein Netz von solchen Dingern – und die bringen Menschen einfach um, wenn sie sich gestört fühlen, ja?«
    Eliza verzog das Gesicht; das war so stark

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