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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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gebrochenen Finger, geprellten Füße und schmerzenden Rücken der Trümmersucher verarztete. Allerdings versah sie jeden, der ihr Zelt betrat, neben medizinischer Fürsorge mit einer derartigen Fülle von Ratschlägen, dass den meisten ihrer Patienten nach der Behandlung der Kopf schwirrte. Das trug besser als die Androhung von Strafe dazu bei, dass die Leute sich etwas vorsahen.
    Eliza tat mit bei den Beutezügen ins Gebirge, und wenn sie zusammen mit anderen verschlossene Luken aufbrach, vollgestopfte Tornister ins Lager schleppte und halb zertrümmerte Vorratsräume leerte, vergaß sie die gespannte Lage, in der sie sich befand. Man nahm die große blonde Frau gern als Verstärkung mit, denn sie konnte mehr schleppen als mancher Mann. Und die Ablenkung, die der abgestürzte Weltenkreuzer bot, war von einer Art, die einem bis in die Träume von She Tsi und Lafayette nachkroch. Stillleben aus Trümmern und menschlichen Überresten nisteten sich in Elizas Alp ein, und sie wusste, dass es den anderen genauso ging. Nach jedem Gang ins Gebirge wachten irgendwelche Leute schreiend auf, und einmal erwischten wachsame Menschen im letzten Moment eine brave serafimische Frau, die in Trance und mit fest geschlossenen Augen in Richtung Süden marschierte. Eliza half mit, die Verwirrte, die wie wild kämpfte, zurückzuhalten; man habe sie nach Süden gerufen, schrie die Frau, immer wieder, und sie müsse gehen, man würde auf sie warten. Danach beruhigten sich alle gegenseitig und versuchten weiterzuschlafen, so eng aneinander gedrückt, wie die Leute es auf dem völlig übervölkerten Planetoiden Offord angeblich jede Nacht taten.
    Aber jedes Mal, wenn einer der häufigen Regenstürme die Arbeit unterbrach, wenn man sich, meist im großen Zelt, zusammensetzte, dann bildete sich leerer Raum um Eliza. Sie konnte sich zu den anderen setzen, ja; doch innerhalb kürzester Zeit waren die Plätze rechts und links von ihr leer. Sie versuchte, mit den Menschen zu reden. Die Gespräche waren jedoch wenig ergiebig.
    »Wie heißt du eigentlich?«
    »Interessiert dich das wirklich, ja ...?« Und die Angesprochene warf Eliza einen Blick zu, unter dem sie fror, und stand auf. Ging einfach weg.
    Eins der Regierungsmitglieder kam und sagte ihr, dass es Schwierigkeiten mit dem Rechner gebe und der Beginn der Arbeit am Stopp-Projekt um eine Woche verschoben worden sei.
    »Kann ich euch helfen?«
    Ein kühler Blick, wieder einmal, ein Blick, der Eliza von oben nach unten abzutasten schien. Ablehnung im Ton der größten Selbstverständlichkeit. »Ich glaube nicht, nein.«
    Solche Erlebnisse waren wie kalte Duschen. Oder jener eine Tag, da die Sonne durch die ewige Wolkendecke brach und in aller Herrgottsfrühe die Straßen voller Menschen waren, die den seltenen Anblick genossen ... Da hatte so ein Steppke von fünf Jahren geweint, weil er das schöne große Himmelslicht nicht sehen konnte vor lauter Erwachsenenbeinen. An die warme sanfte Sonne, um die seine Heimatwelt Serafim kreiste, konnte er sich natürlich kaum erinnern. Eliza hatte ihn hochgenommen und sich auf die Schultern gesetzt. Wie der Kleine jauchzte, als er das wärmende Licht spürte und den gleißenden Ball am Himmel sah – an einem tintig dunkelblauen Himmel, den er nur durch ein Loch in mattgrauen Wolken sah, das sich in wenigen Augenblicken wieder schließen würde. Sie hatte sich mit dem Kind unterhalten, erfahren, dass es Tom hieß und ein großer Junge war, zwei Geschwister hatte und eine Mama und meistens im Spiegelweg spielte. Für eine oder zwei Minuten fühlte sich Eliza wieder unbeschwert. Die Bedrückung fiel von ihr ab, weggewaschen von der Sonne. Der Planet Vilm kam ihr schön vor, alles glänzte regennass und sah aus wie frisch gewaschen. Eine Frau kam und nahm Eliza barsch das Kind ab. Im Weggehen herrschte sie den Kleinen an: »Ich hab dir gesagt, dass du mit der da ...« Mehr verstand Eliza nicht. In diesem Moment schoben sich die Wolken wieder zu, das strahlende Sonnenlicht verlosch, alles überzog sich mit einer Schicht stumpfen Graus; im einsetzenden Regen fiel es niemandem auf, dass die Zentralierin auf der Straße stand und weinte.
    Wirklich reden konnte sie nur mit wenigen Menschen. Da war erstens Schwester Gerda, die hatte allerdings meistens keine Zeit, weil die fremde Welt die ersten fremden Krankheiten hervorzubringen begann.
    Da war zweitens eine schweigsame Frau, die überall, wo sie ging und stand, ein Bündel mit sich trug, den irgendwie während

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