Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
des Absturzes zur Welt gekommenen Sdevan. Das Baby war schwach und hatte kaum Überlebenschancen, nicht hier. Dass sein Name bei einer hastigen Zeremonie falsch geschrieben worden war, schien seine Zukunftsaussichten nicht zu verbessern. Seine Sippe war wie die seiner Pflegerin beim Absturz umgekommen. Die beiden klammerten sich aneinander; sie gehörten zu keiner Familie. Und da keiner der serafimischen Clans die beiden als Mitglieder betrachtete, war die Lage der beiden alles andere als rosig. Sdevans fast stumme Ziehmutter hörte sich an, was Eliza sagte, gab aber nie Antwort. Gerda hingegen redete unaufhörlich, was Eliza kaum ertragen konnte. Außerdem war da Elizas Wissen, dass Julian, von dem zu reden Gerda über kurz oder lang anfing, nie zurückkehren würde, dass es ihn vor langen Monaten pulverisiert hatte, dass es nicht einmal etwas gab, das man bestatten könnte. Eliza ertrug es nicht, sich Gerdas Träumereien von Julian anzuhören. Ihr die Wahrheit zu sagen, wagte sie nicht. Sie wusste nicht, was Lafayette mit jener Plastiktüte grauen Staubs gemacht hatte. Und sie wollte nicht eine der wenigen Personen verlieren, von denen sie halbwegs normal behandelt wurde.
Dann waren da die drei Männer, mit denen sie das gemeinsame Erlebnis im Trümmergebirge verband. Der Sommersprossige hatte irgendwann das Gespräch mit der Zentralierin gesucht und ihr endlich seinen Namen verraten. Heyner Caans war als Siedler auf die VILM VAN DER OOSTERBRIJK gekommen und hatte ungeachtet seiner Jugend bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Im Gegensatz zu den meisten anderen Siedlern stammte er offensichtlich nicht von Serafim. Letzten Endes war Caans eine Enttäuschung gewesen, denn es stellte sich heraus, dass der Typ nur mit Eliza ins Bett gewollt hatte, als sie mit ihm zu reden versuchte. Zumindest hatte Eliza ihn barsch darauf hingewiesen, dass sie mit ihrer hageren Figur wohl kaum der Traum aller männlichen Wesen sein könne, und Heyner Caans meinte, das sei so nicht ganz richtig, zumindest seitdem sie oben herum so schön zugenommen habe. Sie hatte ihm, obwohl er recht hatte, eine gescheuert. Er war ihr einfach zuwider. Und die Geschichten über seine Herkunft, das spürte sie, hatten mit der Wahrheit nichts gemein.
Joern wiederum sprach zwar gelegentlich mit Eliza, blieb jedoch auf Abstand. Wahrscheinlich nahm er Rücksicht auf seine Familie. Die übersah sehr betont und etwas angestrengt, wie die meisten, die Zentralierin. Dann war da Marek, in den sie sich – wie sie sich nach etlichen Tagen eingestand – ein bisschen verliebt hatte. Sie wusste, dass sich Hoffnungsloseres kaum denken ließ. Trotzdem versuchte sie, mit ihm zu reden, sooft es ging, auch wenn es wehtat. Aber Marek steckte tief in dem Rechnerprojekt, und bockige Hardware nahm seine Zeit und seine Gedanken in Anspruch.
Also war Eliza allein. Nicht nur allein inmitten von mehr als vierhundert Menschen – um sie herum gab es einen luftleeren und tödlich kalten Raum. Sie ging weit vors Lager, zwischen die düsteren Gewächse dieser Welt, und dort saß sie manchmal stundenlang auf einem mitgebrachten Faltstuhl. Rehschweine streunten vorbei, schlangenähnliche Blattwürmer krochen über ihre Füße, und manchmal wurde sie von den Geräuschen aus ihren Gedanken gerissen, die jene abscheulichen Kreaturen verursachten, die Stiefel und Stuhl für Aas hielten, das sie fressen konnten. Hin und wieder zermalmte sie einige seesternförmige Wesen unter den Sohlen und betrachtete mit kalter Faszination, wie eine quarkähnliche, zähe Substanz aus den Körpern der sterbenden Tiere drang. Dann fingen die lebenden Viecher an, die verletzten Artgenossen aufzufressen, und Eliza floh zurück zu den anderen Menschen. Ihre Seele kreiste in diesem Kosmos wie das epsilonische Raumschiff auf seinem einsiedlerischen Orbit, seit anderthalbtausend Jahren auf ein Wort wartend, das nie kam. Um diesen Zustand quälender Einsamkeit zu vergessen, stürzte Eliza sich wie eine Besessene auf jede Arbeit in Sichtweite. Aus diesem Grund war sie häufig im Gebirge, sehr häufig sogar, und darum erlebte sie mit, als das von allen Befürchtete eintrat.
Das unsichtbare Ungeheuer zeigte sich, und das Gespenst gewann greifbare Realität. Es war nicht besonders dramatisch. Plötzlich strahlten grelle Lampen von mehreren Segmenten herunter, allerlei Maschinen erwachten summend, und flinke Roboter fingen an, verkeilte Geräte freizuschweißen. Auf einmal regneten grelle Funken in Sturzbächen
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