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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Wurbls aus dem Erdreich kriechen und schmatzend mit ihrer widerwärtigen Tätigkeit beginnen. Ein Wurbl war leicht zu töten – ein Tritt des Stiefels reichte –, aber ihre Menge war kolossal. Will hatte es ausprobiert, hatte eines nach dem anderen zertreten, bis seine Stiefel mit einem übelriechenden dunklen Schleim bedeckt gewesen waren. Und er hatte damit aufgehört, als ihm aufgefallen war, dass die neu ankommenden Wurbls anfingen, die zerquetschten Leiber ihrer Artgenossen aufzufressen.
    Ohne seinen Trab wieder aufzunehmen, ging Will weiter, die Flinte in beiden Händen haltend. Er hatte Zeit, und man sollte immer nach unbekanntem Getier Ausschau halten. Die Biologen freuten sich königlich, wenn ein neues Wesen auf ihren Tischen landete. Dabei sahen sich diese Tiere alle ähnlich, mehr oder weniger. Vorn und hinten gab es nicht, an jedem Ende ein Halbschädel und dazwischen vier bis acht Beine, manchmal mehr, in der Mitte irgendwo einen oder mehrere Nervenknoten, der die beiden winzigen Hirne zusammenschaltete. Das war das Baumuster aller Tiere, die nicht völlig primitiv waren. Wie die Wurbls etwa, die nicht mal einen Kopf oder Augen hatten und sich nur in Größe und Farbe unterschieden. Will dachte an seine Mutter, die jedes Mal schimpfte, wenn er mit einer totgeschossenen Kreatur aus den Gestrolchen kam. Dabei war sie es doch, die Eliza überzeugt hatte, dass er ein Gewehr tragen sollte. Sie tat, als wäre Will drauf und dran, die Tierwelt Vilms auszurotten. Dabei gab es fast zu viele Tiere. Und es waren Menschen spurlos verschwunden. Wahrscheinlich hatten sie sich vom Springwolf überraschen lassen, und die Wurbls hatten den Rest erledigt. Will dachte mit leisem Gruseln an den Tag, an dem er ein säuberlich abgenagtes Menschenskelett im Gestrolch entdecken würde.
    Das Gelände stieg leicht an, Will schnürte im Zickzack zwischen den großen Gestrolchen den Hang hinauf. Die Regendrachen mussten langsamer fliegen; das mittelgraue Geniesel war erst hellgraues und dann sterbendes Geniesel geworden. Will fühlte deutlich, dass der Regen aufhören würde. Es bestand keine Gefahr, dass sich das Wetter in Nieselnebel verwandeln würde. Er konnte nicht erklären, woher er das wusste. Keines der Kinder auf Vilm konnte das. Sie wussten solche Dinge eben. Die Einarmige Eliza und die anderen Erwachsenen wurden sehr still, wenn sie diese Fähigkeit der Kinder bemerkten. Es gefiel ihnen nicht, und Will würde nie verstehen, warum. Als er auf der Kuppe des Hügels ankam, der an die fünfzehn, zwanzig Meter über die Umgebung hinausragte, schimmerte der Himmel vor ihm hell, die Struktur der Wolken deutlich erkennbar, und schlagartig starb der Regen. Will zog den Kopf ein und spürte einen leichten Schauder. Wenn das mit den Regendrachen stimmte, dann waren zum ersten Mal seit drei, nein, vier Monaten keine Regendrachen über ihm – er hatte den Gedanken, dass diese Wesen über seinem Kopf schwebten, immer beruhigend gefunden. Sicherlich besaßen Regendrachen zwei Köpfe, die in entgegengesetzte Richtungen blickten und einander nie zu Gesicht bekamen.
    Will sah sich um – als könnten die Springwölfe seine leise Angst wittern. Er hatte eine gute Position. Auf der Kuppe des Hügels musste er so ein Tier rasch bemerken, wenn es in voller Schnelligkeit gerast käme. Das war ein lustiger Anblick, wie die Springwölfe in hohen Bögen durchs Gestrolch setzten und bei Gefahr zurücksprangen, wie Gummibälle, die es sich anders überlegt hatten. Dabei lag das nur daran, dass Springwölfe, genau wie Rehschweine, einfach nicht vorn und hinten hatten, sie besaßen zweimal das, was man »vorne« nennen musste ... Ein frischer Wind kam auf, Will beäugte den Himmel, die Wolken gerieten in Bewegung, und es war fast so hell wie sonst gegen Mittag. Es würde bald passieren.
    In diesem Augenblick schien ihm, als falle ein Schatten über die Landschaft, die, soweit er sehen konnte, nur aus den dunklen Tupfen der Pflanzenansammlungen bestand. Will fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, schob die Kapuze zurück. Nein, es war nicht plötzlich dunkler geworden. Dieser Schatten hatte mit dem Licht nichts zu tun. Will sah sich um. Er ging auf der Hügelkuppe hin und her, wurde unruhig. Dann sah er es. Das Tier. Undeutlich erkennbar, stand da ein Tier an ein Gestrolch gelehnt. Will griff die Flinte fester und machte sich auf den Weg. Je näher er dem Tier kam, desto klarer wurde ihm, dass er keinen Springwolf vor sich hatte, sondern etwas

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