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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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lag flach auf dem Boden und legte die Vorderpfoten auf den Kopf.
    »Getauscht. Das darf doch nicht wahr sein.«
    »Das Eingesicht des einen wechselte seinen Platz mit dem des anderen. So, als ob man jemanden von einer Bank schubst. Und der Heruntergeschubste drängt sich auf der nächsten Bank einen Weg frei. Und so weiter.«
    »Wird ein ganz schönes Gedränge, wenn nicht noch ein Platz frei ist.«
    »Es war ja kein Platz frei.«
    Carl löste seinen Blick endlich vom gelblichen Schein der Lampe und sah seinen Bruder an. Natürlich blickte er auf das Eingesicht hinunter, nicht zu dem Rest Mensch hinüber. »Klickerdiklack«, sagte er.
    »Bitte?«
    »Dominosteine, die umfallen. Einer stößt den anderen um. Eine Kette. Eine geschlossene Kette. Vier Steine, die einander umstoßen. Ein Kurzschluss.«
    »So etwas in der Art, ja.«
    »Und was ist mit diesem armen Vieh passiert, das da so kläglich gestorben ist?«
    Will schüttelte den Kopf. »Es war Toron, der da gestorben ist.«
    Carl war ganz still, dann schaute er seinem Bruder ins Gesicht.
    »Genauer gesagt, eine Hälfte Torons. Toron ist jetzt zur Hälfte Lukas; er hat jedenfalls sein Eingesicht übernommen. Lukas lebt, wenn man das so sagen kann. Das wilde Eingesicht, das du mitgenommen hast, bildet mit ihm eine Einheit.«
    Carl schüttelte den Kopf. »Ich habe ein Glück«, sagte er.
    Will antwortete nicht.
    »Habe ich ein Glück«, sagte Carl, »dass ich stummblind bin.«
    »Wir wissen nicht so recht«, sagte Will leise, »was wir tun sollen. Ist einer von uns gestorben? Jemand Fremdes? Oder sind die beiden, völlig verändert, im Grunde genommen tot und durch etwas anderes ersetzt worden? Lukas ist nicht länger Lukas. Toron ist halb Lukas. Wir sind ein bisschen durcheinander.«
    In Carls Kopf überstürzten sich die Gedanken. »Dum-bidum-didum«, sagte er. »Ihr wisst nicht, was das bedeutet. Wenn ihr mit diesem Zeug weiterforscht, es unter Kontrolle bekommt ... Wenn ein Körper schwach wird oder alt oder krank ... ein anderer tritt an seine Stelle ... wenn auch nur sozusagen zur Hälfte ... eine Art von Unsterblichkeit.«
    Will sah seinen großen Bruder mit unergründlich dunklen Augen an; falls genau das der Forschungsgegenstand von Lukas und Toron gewesen sein sollte, verriet er sich mit keinem Wimpernschlag.
    »Ihr könntet jede Krankheit heilen«, flüsterte Carl, »einfach, indem der sterbende Teil eines von euch durch einen anderen, frischen ersetzt wird. Vielleicht gelangt ihr mit diesem Teufelszeug sogar an die Möglichkeit, all die Millionen unvollständiger Wesen da draußen in eure Gemeinschaft hineinzuholen. Das wäre ...« Er verstummte und dachte darüber nach. Eine endlose Kette von Existenz. Individuen, die eine Hälfte ihres Ichs mit einem anderen tauschen können. Endlose Konfusion. Erinnerungen, die der Hälfte eines anderen gehörten. Und schier endlose Erinnerungsketten. Gedächtnis, das länger währt als die Lebensdauer eines Einzelnen. »Wenn ich darüber nachdenke«, sagte Carl und schloss die Lider, »dann bin ich froh, stummblind zu sein.«
    Die Nester der Regendrachen gibt es nicht, es gibt nur, irgendwo hinter dem verregneten Horizont, irgendeinen finsteren schwarzen Berg, hinter dem hervor ständig schwarze Wolken in den Himmel steigen.

3. Kein Hafen
    Langsam wurde es Tullama zu bunt, was Christoff da trieb, und wäre der Lotse nicht von der Hand des Todes berührt, hätte der Kapitän den aufsässigen Menschen längst weggeschickt. Jedoch war da jene unbarmherzige kalte Substanz, die Christoff von innen heraus auffraß, und da war ein unnachgiebiger Wille, den verlorenen Weltenkreuzer wiederzufinden. »Wenn wir davon ausgehen, dass der Raumsprung der Vilm van der Oosterbrijk entgegen der Planung zu früh beendet wurde, zum Beispiel durch eine Havarie, oder dadurch, dass man aus Sicherheitsgründen weitere Wegpunkte in die Route einführte, dann könnten sie hier in der Nähe sein«, sagte der Lotse. Seine Stimme klang jeden Tag gepresster und angestrengter. Er ging nicht mehr in der Zentrale auf und ab. Er stand einfach nur noch da.
    »Hier ist nichts«, sagte Tullama leise, und die Apparate gaben ihm recht. Keine Lebenszeichen, keine Funkfeuer, keine Emissionen, die man einem Landau-Modulator außerhalb der Armorica hätte zuordnen müssen. Dennoch bestand Christoff darauf, einen bestimmten Bereich des Sternenhimmels nochmals genau abzusuchen. Tullama warf einen Blick zu seinem Chefnavigator. Der hob die Schultern und schlug

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