VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)
leuchtend, um jeden darauf hinzuweisen, dass hier Öffentlichkeit stattfand und man dumm wäre, seine privaten Geheimnisse in der Reichweite dieser Apparaturen auszubreiten. Christoff dachte nicht im Traum daran, den Kopf nochmals zu drehen, also baute sich Kevin so auf, dass der Lotse ihn sehen musste.
»Danke, dass Sie mir doch ein Gespräch gewähren wollen«, begann er, »ich hatte die Hoffnung beinah aufgegeben.«
»Ja«, sagte Christoff. Er behielt sein langsames Sprechtempo bei, wie ein Zeuge vor Gericht, der Angst hat, etwas Falsches zu sagen.
»Wie schätzen Sie die Chancen dieser Mission ein, doch noch zu ihrem Ziel zu kommen?«
»Gut.«
»Wie viel Zeit wird vergehen, bis die Überlebenden der Vilm van der Oosterbrijk gefunden sind?«
»Sie werden entweder innerhalb der nächsten Woche oder innerhalb der nächsten fünfzig Jahre gefunden werden.«
»Woher nehmen Sie diese Zeitangaben? Sie klingen, das müssen Sie doch zugeben, etwas eigenartig.«
»Es ist ganz simpel. Die eine Möglichkeit bedeutet systematische Suche in diesem Sektor, einfaches Abgrasen aller in Frage kommenden Welten, mit automatischen Sonden, unterstützt von drei oder vier Mutterschiffen. Natürlich nur dann, wenn eine solche Aktion auch finanziert werden kann.«
»Was bezweifelt werden darf.«
»Die andere Zeitspanne deckt sich exakt mit meiner Lebensdauer, oder besser gesagt, mit der Dauer jener Phase meiner Krankheit, in der ich noch in der Lage sein werde, mit meiner Umgebung in Interaktion zu treten. Da ich deutlich spüre, dass wir den Überlebenden der Vilm van der Oosterbrijk sehr nahe sind, sehe ich eine Chance, sie zu finden, ehe ich unfähig bin, meinen Job zu tun.«
»Sie spüren es, der Oosterbrijk nahe zu sein?«
»Das sagte ich.«
»Da Sie Ihre Krankheit selbst angesprochen haben – ist die Frage erlaubt, wie es Ihnen zurzeit geht?«
»Da Sie die Frage stellen, ist sie erlaubt. Der Prozess schreitet fort. Wenn es nach den Ärzten ginge, läge ich in einem Hochtechnologielabor, und man würde versuchen, dem auf den Grund zu kommen, was mit mir geschieht. Das wünsche ich nicht.«
»Wie fühlen Sie sich?«
Christoffs Augen funkelten. »Wie, meinen Sie, würden Sie sich fühlen, wenn Ihre Knochen aus Silikat bestünden und Ihre Eier seit einer Woche Kieselsteine wären? Wenn Sie nur feststellen könnten, wo Ihre Füße sind, wenn Sie zufällig einen Spiegel in der Nähe haben, um ihren derzeitigen Verbleib festzustellen? Wie würden Sie sich fühlen, wenn der medizinische Computer Ihnen die Behandlung verweigert, weil seine Programmierung Ihren Körper nicht mehr als den eines Menschen zu erkennen vermag?«
»Nicht besonders gut, vermute ich.«
Der Lotse verzog immer noch keine Miene. »Nicht besonders gut. Dazu kommt Appetitlosigkeit. Addieren Sie die Tatsache, dass Nahrung nach unvollständigen Verdauungsvorgängen wieder herausgewürgt wird, weil der Arsch schlicht und einfach schon hinüber ist. Zählen Sie weiter Schlaflosigkeit hinzu und dass die ganze Sache unverschämt wehtut. Medikamente gibt es gegen diesen Quatsch nicht, und Doktor Schyberg hat aufgehört, es mit Spritzen oder Hochdruckinjektoren zu versuchen, weil er durch eine immer dicker werdende Haut einfach nicht hindurchkommt. In jeder Sekunde, in der wir miteinander reden, verabschieden sich Zellen von meinem Körper, werden zu Stein und protestieren energisch dagegen. Nur während eines Raumsprungs ist es besser.«
»Ist das der Grund, weswegen die Armorica einen Minimalsprung nach dem anderen macht?«
»Natürlich nicht. Ich habe mir vorgenommen, diesen verschwundenen Weltenkreuzer zu finden. Das ist der eine Hafen, den ich noch anlaufen will. Wo auch immer die sind, da will ich bleiben und den Rest dieser Verwandlung über mich ergehen lassen. Da es mir nichts nützt, gegen diesen Mist anzukämpfen, verwende ich meine Wut dazu, am Leben zu bleiben und diese Leute zu suchen.«
Tullama tauchte neben Kevin auf und berührte den Sensorenkranz, der protestierend summte. »Die fünf Minuten sind um«, sagte er.
Kevin starrte den Lotsen an und sagte nichts; Christoff zog einen Mundwinkel hoch – sein ihm verbliebenes Lächeln – und drehte langsam sein Gesicht wieder zu den Anzeigetafeln hinüber. Wider Erwarten hörte Kevin nichts knirschen. Tullama fasste den Reporter am Ärmel und zog ihn weg. Kevin stolperte und schaltete seine Geräte aus, die sich in die Gehäuse in seinem Kragen zurückzogen.
Der Weltenkreuzer tat wieder das,
Weitere Kostenlose Bücher