VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)
Martino lachte.
»Das ist typisch Konstantin«, sagte er, »wir kommen von Oniskus, das hat er vergessen zu erwähnen. Vergeben Sie ihm, bitte. Er ist einer unglücklichen Liaison zwischen einem Karnesen und einer oniskäischen Dame entsprungen – das erklärt seinen ausladenden Körperbau ebenso wie sein gelegentlich überschäumendes Temperament. Wir sind tatsächlich die komplette Familie Kadoupoulos, jedenfalls zurzeit. Allerdings sind wir nicht miteinander verwandt, sondern miteinander verheiratet. Das ist ein gewisser Unterschied.«
Franka lächelte, und plötzlich sah sie Jahre jünger aus. »Das hast du wieder einmal schön erklärt«, sagte sie.
Marja hatte zwar von Oniskus gehört und den dortigen Gepflogenheiten, das Gehörte aber unter die wilderen Geschichten eingeordnet, die eben so erzählt werden. Marja-J hatte Schwierigkeiten, das Konzept der multiplen Ehe zu verstehen. Es widersprach allem, was er von den Menschen auf Vilm gelernt hatte.
»Ich hoffe«, sagte Martino, »Konstantin hat Sie nicht genervt mit seinem gelegentlich unbedachten Geschwätz.«
»Ich muss doch sehr bitten«, sagte Konnie grinsend.
»Was wahr ist, muss wahr bleiben«, meinte Franka.
»Es ging«, sagte Marja und streichelte das Fell. Die Gegenwart dieser drei Menschen hatte etwas Beunruhigendes, Störendes. Als ob es nicht richtig wäre, dass diese Familie auf Vilm Station machte. »Warum sind Sie hier?«, fragte Marja.
»Sie machen keine großen Umwege, oder?«, fragte Franka zurück. Sie wandte sich an Konstantin und sagte leise irgendetwas von der erfrischenden Direktheit der Einheimischen und vom Reiz des Primitiven. Martino achtete nicht darauf, er erklärte Marja in einfachen Worten, dass sie beschlossen hätten, ihren fünften Hochzeitstag mit einer mehrmonatigen Reise zu begehen. So ein Ereignis sei groß; es müsse gebührend und würdig Eingang in die Familiengeschichte finden. Schließlich sei es selten, dass eine Ehe in ein und derselben ursprünglichen Konfiguration so lange so glücklich sei.
»Werden sonst alle Ehen auf Oniskus früh geschieden?«, fragte Marja.
Konstantin und Franka lachten lauthals. »Im Gegenteil, mein Kind«, sagte Martino in herablassendem Ton, und Marja-J beschloss, diesen Menschen nicht ausstehen zu können. Marja-A hatte keinerlei Schwierigkeiten, sich dem anzuschließen.
»Es ist so«, erklärte Martino, während sich Konstantin vor Lachen ausschütten wollte, »dass Scheidungen bei uns selten sind. Niemand will sich ein Scheitern in einem der wichtigsten Lebensbereiche überhaupt zugestehen. Statt sich scheiden zu lassen, wird auf Oniskus die Ehe erneuert.« Martino verzog angewidert das Gesicht. »Sich scheiden lassen, was für ein schauderhafter Ausdruck, wenn man es genau betrachtet. Anstatt solcher Primitivität ändert man das, was nicht funktioniert – die Ehe – einfach um einen wesentlichen Faktor. Man nimmt einen neuen Partner hinein, tauscht einen mit einer anderen Ehe aus, oder man verkleinert die Ehe. Man achtet natürlich darauf, dass man nicht in den alten Fehler der Zweipersonenknechtschaft verfällt, unser System allerdings funktioniert bestens. Ich zum Beispiel bin seit über zwanzig Jahren glücklich verheiratet, und mit diesen beiden seit fünf Jahren in unveränderter Konfiguration; es hat Zeiten gegeben, als meine Ehe sechs Personen umfasste. Das war auf Dauer – ich geb’s zu – nicht auszuhalten und hat nur einige Monate gedauert.«
»Einer der sechs«, berichtete Franka, »wechselte in meine vorige Ehe hinein, und so lernte ich Martino kennen. Konstantin kam dann durch einen Partnertausch zu uns.«
»Vor genau fünf Jahren, einer Woche und zwei Tagen«, stellte Konnie fest und legte seinen Arm um Franka. Er war groß genug, dass er seine Hand in Martinos Nacken legen konnte, obwohl Franka zwischen ihnen saß. Franka kuschelte sich an Konnies Arm und starrte aus dem Fenster in die verhangene vilmsche Landschaft.
»Ich wusste bisher nichts über die oniskäische Ehe«, gab Marja zu.
Konstantin gluckste belustigt. »Dann wusstest du gar nichts über die Ehe.«
»Wir wollen doch nicht beleidigend werden«, sagte Martino, »nicht, wenn wir einen so einmaligen Ausblick genießen können.«
»Bisschen vernebelt, wenn du mich fragst«, meinte Konstantin. »Die Leute sollten sich auf Atibon Legba oder sonstwo etwas Technologie zur Klimakontrolle besorgen, dann wäre das ein echter Hingucker.«
Marja lächelte. »Unsere Beziehungen nach A.L. sind
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