VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)
etwas gespannt, um es mal vorsichtig auszudrücken.«
»Außerdem«, sagte Martino, »würde es den Charme einer Welt verhunzen, deren Bewohner offensichtlich zufrieden sind, ihren Planeten so zu belassen, wie er ist.« Marja warf dem Mann einen verwunderten Blick zu. Das kam dem, was sie für ihre Heimat empfand, schon näher. »Wobei eine solche Einstellung den schwerwiegenden Nachteil hat«, fuhr Martino Kadoupoulos fort, »dass sie den zutiefst menschlichen Drang vermissen lässt, jeder Welt einen Stempel aufzudrücken, sich zu verewigen, etwas zu schaffen, das sich von allem anderen im Universum unterscheidet. Vilm wird nie einen Ort ersinnen, der sowohl einzigartig wie erhaben ist. Dazu sind die Vilmer zu sehr zufrieden mit dem, was sie haben. Das mag schön sein für sie, jedoch weniger schön für Leute wie uns, die wir auf Reisen das Besondere suchen. Unsere Liste hoher Orte, die man im Leben gesehen haben muss, wird niemals um eine Zeile ergänzt werden können, die einen Platz auf Vilm benennt.« Marja spürte, wie sich etwas in ihr gegen das wehrte, was Martino sagte. Ihr Fell wollte sich sträuben.
»Ist das nicht etwas hart ausgedrückt, mein Lieber?«, sagte Franka und kehrte von ihrem verträumten Ausflug in die Weiten Vilms zurück.
»Mag sein«, antwortete an Martinos Stelle Konstantin. »Er hat natürlich vollkommen recht. Wie meistens. Die haben hier zu viel Schlamm, um sich, bildlich gesprochen, daraus zu erheben.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Marja, und sie hätte später nicht sagen können, welcher von ihren beiden Teilen energischer zum Widerspruch drängte.
»Oh, ich fürchte, es ist so«, sagte Franka und legte ihren beiden Männern besitzergreifend ihre Hände auf die Oberschenkel. »Wir auf Oniskus haben eine zu alte und zu fortgeschrittene Zivilisation, als dass wir es nicht sehen könnten, wenn eine Welt nicht über das Potenzial verfügt, den Status einer bloßen Kolonie de facto hinter sich zu lassen. Vilm hat es de jure geschafft, das mag sein. Das wird indessen alles bleiben. Niemals wird diese Welt in den Augen des bewohnten Kosmos eine eigenständige sein.«
»Ansonsten habe ich solche Reden zu schwingen«, beklagte sich Martino grinsend, »und nicht du. Du bringst die Rollen durcheinander.«
Jetzt grinste auch Konstantin. »Ist es nicht gerade das, was uns so lange beieinander gehalten hat? Die Rollen öfter mal ein bisschen durcheinanderzubringen?«
Martino beugte sich vor und blickte dem riesenhaften Halbkarnesen in die Augen. »Darf ich das als wohlgemeinten Vorschlag gezielt missverstehen?«
»Rechts und links sind letzten Endes genauso gut Ansichtssache wie oben und unten, beziehungsweise vorn und hinten, oder nicht?«, versetzte Konstantin, und Franka schlug den beiden Männern scherzhaft auf die Schenkel.
»Wenn das jemand hört«, sagte sie, »denkt derjenige noch, ihr redet schlüpfrige Sachen und nehmt eure Ehe nicht recht ernst.«
»Oh«, murmelte Martino, »das tun wir, das tun wir.«
»Beides«, sagte Konstantin, und dann lachten sie alle drei, als habe einer von ihnen einen hervorragenden Witz gemacht.
Marja begriff, dass dieses Geplänkel nichts mit ihr oder mit Vilm zu tun hatte, sondern rein privat war. Marja-J spürte eine Menge sexueller Untertöne in der Körpersprache der drei oniskäischen Reisenden, und insbesondere Konstantin war in dieser Hinsicht sehr aktiv. Sie erkundigte sich, wie lange die drei auf Vilm sein würden, und ging. Das würde knapp werden, ahnte sie, denn der Ausflug per Schweber zum äquatorialen Gürtel würde kaum länger als drei Tage dauern. Das Riesengestrolch, das sich um den ganzen Planeten zog, war das Einzige, was die Oniskier neben dem Gebirge und Vilm Village interessieren konnte. Die Einheimischen gehörten nicht zu den Sehenswürdigkeiten auf ihrer Liste, und von den anderen konnten die drei nichts wissen.
Der Aufzug in einem der drei Masten des Fast-in-den-Wolken brachte Marja in wenigen Sekunden hinunter auf die Oberfläche. Wie immer war sie, unten angekommen, leicht verwirrt vom plötzlichen Wechsel der Perspektive. Sie war die Bewegung auf dem mehr oder weniger festen Boden Vilms gewohnt. Das traf in noch größerem Maße auf Marja-J zu, dessen Art keine Möglichkeit kannte, auch nur über ein kleines Gestrolch hinüberzukommen. Es hatte gute Gründe, dass es in Vilm Village fast nur ebenerdige Gebäude gab. Ein gutes Dutzend zweistöckige Häuser war gebaut worden, und die wurden von Fremdweltlern
Weitere Kostenlose Bücher