Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
als fünf Meter zu sein. Es gelang ihr bloß nicht. Sergios kontaktierte die Steuerung über sein Handimplantat. Dort war alles in Ordnung. Es funktionierte wieder für ein paar Minuten, und er beeilte sich, zu Jona aufzuschließen, so dass seine Füße laut durchs Wasser platschten. Als er wieder zu der spinnerten Schwebeschachtel schaute, steuerte die in zwei Meter Höhe auf seine Position zu, blieb kurz vor ihm in der Luft stehen und krachte herunter. Dünnflüssiger Vilmdreck wurde in alle Richtungen geschleudert und machte Sergios für Sekunden blind, während er ausspuckte. Er konnte jetzt aus erster Hand berichten, wie Vilm schmeckte. Normale Ackerkrume mit ein bisschen Gras-Aroma.
Jona-J stand nahebei und lachte. Es war kein Laut zu hören. Gesichtsausdruck und Körpersprache brachten zum Ausdruck: Ich lach mich kaputt. Jona-A war taktvoller und klärte den Zentralier darüber auf, dass es Technologie gab, die im extremen Klima des Regenplaneten nicht richtig funktionieren konnte und schnell den Geist aufgab.
»Prima«, knurrte Sergios und wuchtete die defekte Schwebeschachtel auf den Deckel einer anderen, die es noch tat. »Ist klar«, schnitt er Jona das Wort ab, »das wird die Lebensdauer der zweiten Kiste deutlich verkürzen. Wie weit ist es bis zu eurem Haus?«
Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Ameisen das Kürbisbeet bereits verlassen hatten und auf den Rand des Wolkengebirges zusteuerten, wo es gar keine kugeligen Behausungen mehr gab. Offenbar führte Jona ihn zu einem seltsam metallischen Ding, das am Fuße des ungeheuerlichen Dickichts auf einem Podest stand. Eine gemauerte Rampe führte zum Eingang.
»Soso«, sagte er, »hier wohnt man also nur freitags.«
»Ja«, antwortete Jona.
Für den Bau dieses seltsamen Hauses waren die Hüllen von ausgebrannten oder ausgeschlachteten Rochengleitern verwendet worden, die man in verschiedenen krummen Winkeln miteinander verbunden hatte. Es sah aus wie ein bizarr ineinander verwobenes Ballett aus Schwingen, gekrümmten Leibern und Flossen, die in merkwürdigen Winkeln auf unsichtbare Geheimnisse deuteten. Der vertikale Wald war dabei, dieses Gebilde mit Lianen und Astgeflecht zu umranken. An einigen Stellen schmiegten sich armdicke Stämme an die Metallflächen und pulsierten langsam, als wären es Tentakel.
»Wir sind spät dran«, sagte Jona, und das Eingesicht fing an, den breiten Schädel an die Rückseite der doppelt beladenen Schwebeschachtel zu pressen. Der so beschleunigte Koffer überholte Sergios und sauste die Rampe hinauf. Der Zentralier spürte in seinen Implantaten, wie die Steuerung des Gepäckstücks versuchte, Alarm zu schlagen, jedoch keine Abnehmer für ihre Notrufe fand. Schlaue Technik, die außerhalb der Weltenkreuzer-Sphären nutzlos war.
Sergios und Jona folgten mit den übrigen Schwebeschachteln auf die Rampe und hinein in das Gebäude.
Drinnen angekommen, wurden sie von einer Frau unbestimmbaren Alters begrüßt, und zwar mit den Worten: »Beinahe hättest du ’s wieder versaut, Jona.«
Während sich die Luke schloss, ging ein Beben und Zittern durch das Metallhaus, und der Boden schwankte. Sergios spürte ein Ziehen in seinem Bauch, als wäre er in einem Aufzug gestiegen, und musste sich festhalten. Er erwischte die muskulöse Schulter von Jona, der durch ein Bullauge nach draußen wies. Dort entfernte sich die Rampe von ihnen, während das Metallhaus nach oben stieg. Von draußen waren unheimliche raspelnde Geräusche zu hören, als schabte Borke über Stahl, und es knirschte und ächzte hölzern. Ein Riese hielt das Rochenhaus zwischen seinen unruhigen Fingern.
Jona nickte zu der Rampe hinüber, die kleiner wurde.
»Wir wohnen hier wieder nächsten Freitag«, sagte er.
Dann zog er Sergios einen Raum weiter, wo es einen größeren Ausblick gab. Die Schwebeschachteln blieben im Vorraum und stießen immer wieder leise polternd gegen die geschlossene Tür. Der Zentralier achtete nicht auf das Geräusch – er erkannte, dass es das Wolkengebirge selbst war, das dieses Haus ergriffen hatte und hinaufhob in seine feuchten Höhen. Armdicke Muskeln, mit dunkelgrüner Haut bedeckt, waren aus dem Gewirr herabgesunken, umschlangen die Flügel und zerrten daran; andere, die ihre Arbeit getan hatten, lösten sich und sanken wieder nach unten, als wären sie alle lediglich Stränge einer einzigen großen Pflanze. Sergios erhaschte einen Blick von weit oben auf den Rand des Supergestrolchs, neben dem winzig klein die Kürbisreihen
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