Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
Vom Netzwerk:
zwischen ihren doppelten Schatten.
    Will ging dorthin. Niemand außer ihnen beiden konnte wissen, was damit gemeint war. Hin und wieder hatte er Vilmwhisky mit Pak-46-erg getrunken und lange, verwickelte Gespräche mit ihm geführt, die sich – solange sie andauerten und der Whisky reichte – schwer philosophisch angefühlt hatten. Eines davon war um den Gedanken gekreist, was passieren würde, wenn der nächstgelegene Stern, kaum ein viertel Lichtjahr entfernt, zur Supernova würde. Sie hatten in bereits leicht angetrunkenem Zustand ausgerechnet, wo genau die beiden Schatten der Scherbe liegen würden, wenn der explodierende Stern gerade dann zu Vilms Sonne in Konjunktion stünde.
    Während er dorthin ging, stellte Will Vermutungen über den damaligen Abend an. Sie waren offenbar am Ende der zweiten Flasche angelangt oder hatten bereits die dritte angebrochen. Er wusste es nicht mehr.
    Aber er wusste, welchen Ort der Goldene Bruder gemeint hatte. Will-J streckte bereits seinen breiten Schädel durch die Tür.
    Es war eine der alten Verpflegungsstationen, in denen damals gleich nach dem Absturz die gute Schwester Gerda Essen an die Überlebenden verteilt hatte. Eine Hütte aus Wellblech, die nur deshalb noch existierte, weil sie in dieser Ecke abseits der Hauptverkehrsrouten niemanden störte. Viele andere Erinnerungsorte aus der Zeit der Anfänge gab es längst nicht mehr.
    Pak-46-erg erwartete drinnen den Administrator.
    Und er war aufgeregt. Wills menschlicher Körper war noch gar nicht angekommen, als er das feststellte; Will-J hatte bereits genug gesehen. Die in ihre undurchdringliche Hülle eingepackte nackte Gestalt stand reglos im Halbdunkel. Der Goldene wirkte, als wäre er auf dem Sprung. Trotz der sagenhaften Schutzfolie konnte Will die Erregung und die Angst riechen, die er ausdünstete.
    Natürlich sah Pak-46-erg das wuschelige sechsbeinige Wesen, das zu ihm in die Halbdunkelheit der aufgegebenen Essensstation geschlüpft war.
    »Willkommen, Administrator«, sagte er, lange ehe auch der restliche Will zu ihm gekommen war. »Wir hatten schon so einige Krisen, nicht wahr. Diese ist ein bisschen ... bedrohlicher.«
    Will-J musterte den Goldenen eindringlich.
    »Inwiefern bedrohlicher? Wir trinken diesmal keinen Äthyltee?«, fragte Will-A, kaum dass er eingetreten war. Er wollte nicht an Tonja denken, die mit dem Tode rang und so voller Gift war, dass alle Schüler Mechins, alle Ärzte, nur ausweichende Antworten gaben.
    »Lebensbedrohlich«, erwiderte Pak-46-erg. »Und nein, kein Tee. Vielleicht das nächste Mal wieder.«
    »Oh. Wer wird lebensbedroht? Einer von uns beiden vielleicht?«
    »Nein.«
    »Oh, jemand anders. Das hatten wir ja schon.«
    Will konnte sich diese Anspielung auf die Beseitigung des Mannes, der sich Gustave Hermès genannt hatte, nicht verkneifen. Sie hatten niemals herausgefunden, wer den Ganoven tatsächlich beauftragt hatte. Die Spuren führten nicht nirgendwohin, sondern überallhin. Geschickt waren Verdachtsmomente ausgelegt worden, manche zur Bruderschaft, andere zu den Dunkelwelten und der kriminellen Halbwelt von Atibon Legba. Im Nachhinein war es wirklich das Beste gewesen, Hermès still verschwinden zu lassen.
    Der Goldene warf einen raschen Blick auf eines seiner Implantate, das wie eine im Fleisch festgezweckte, in etwa ohrförmige Brosche auf der Wölbung seines Bauches angebracht war. Auf diese Weise konnte er es immer im Blick behalten. Will hatte noch nie gesehen, dass dieses Ding leuchtete. Er staunte und trat näher. Im Halbdunkel erkannte er farbige Lichter, die wie glimmende sandkorngroße Insekten durcheinanderwimmelten und sich hin und wieder zu Mustern vereinigten, die zu kurz bestanden, um ihnen eine Bedeutung zuzuweisen.
    »Ich hatte immer gedacht, dass die Mitglieder der Bruderschaft direkt über die eingepflanzten Maschinchen kommunizieren, aus denen der künstliche Teil ihres Nervensystems besteht«, sagte Will.
    Pak-46-erg hob die Achseln und wirkte sehr verlegen.
    »So ist es normalerweise auch. Manchmal aber müssen bestimmte Signale aus genau diesem System ferngehalten werden. Verunreinigte Informationen.«
    Er spuckte die beiden letzten Worte aus wie Ungeziefer, das ihm versehentlich in den Mund geraten waren.
    »Um wen geht es also?«, fragte Will und wunderte sich über das sonderbare Benehmen seines alten Bekannten.
    »Um diesen Vincent«, sagte Pak-46-erg. »Ich habe Hinweise darauf, dass jemand ihm Böses will, vielleicht sogar nach dem Leben

Weitere Kostenlose Bücher