Violas bewegtes Leben
Kulissen geworden sind.
Romy, Suzanne und Marisol kommen den Gang entlang zu mir.
»Das war unglaublich«, sagt Romy.
»Tut mir leid, dass ich so rausgeplatzt bin. Der Hintergrund ist einfach so klasse geworden«, sprudelt Marisol hervor.
»Echt eine super Leistung«, stimmt Suzanne zu.
Ich schaue meine Mitbewohnerinnen an, die so stolz auf mich sind, dass es mich stolz macht.
»Gruppenkuscheln!«, sagt Marisol. Suzanne, Romy und sie drängen sich um mich. Fast fühlt es sich an, als hätte ich Schwestern. Ich bin so froh, dass sie gekommen sind.
»Viola? Kannst du bitte runterkommen?«, ruft Diane aus dem Orchestergraben.
»Ich muss los. Ich bekomme gleich meinen korrigierten Regieplan«, erkläre ich. Nur zwei Wochen und ich beherrsche den Theaterjargon perfekt. Während ich mein Zeug zusammenpacke, gehen meine Mitbewohnerinnen zum Ausgang. »He, Leute.«
Alle drei drehen sich wie auf Kommando um und schauen mich erwartungsvoll an.
»Danke, dass ihr gekommen seid. Ihr seid echt die Besten.«
Meine Freundinnen lächeln. Ich schaue zu, wie sie die Tür zur oberen Lobby aufstoßen. Zum ersten Mal, seit ich meinen Koffer an der PA ausgepackt habe, habe ich das Gefühl, ein Ziel zu haben. Ich tue etwas. Wer hätte ahnen können, dass das ausgerechnet die Theateraufführung für die Gründungstagfeier sein würde? Und wer hätte ahnen können, dass das beste Publikum meine Mitbewohnerinnen sind?
Nach dem Abendessen gehe ich zurück zum Hojo-Bau, um noch einen Durchlauf meiner Computerbilder auf der Bühne zu machen. Es war schwer, sich vorhin zu konzentrieren, als so viele Menschen da waren. Diane hat mir den neuen Regieplangegeben, und ich muss noch ein paar Änderungen vornehmen. Ich wünschte, Andrew wäre hier, um mir zu helfen. Gemeinsam würden wir das in Windeseile erledigen.
Ich schiebe die Türen zum Theater zur Seite. Die Arbeitslichter brennen, helle Strahlen aus weißem Licht, die sich in trübe graue Pfützen verwandeln, wenn sie auf den schwarzen Bühnenboden treffen. Ich gehe den Seitengang entlang und klettere die Stufen zur Bühne hinauf. Ich dreh mich um und schaue auf die dreihundert Sitze des Theaters. Der Anblick des leeren Raumes vor mir jagt mir Angst ein. Ich fühle mich winzig, als würde ich am Rand des Grand Canyon stehen. Es ist mir ein Rätsel, wie Schauspieler damit zurechtkommen. Ich bewundere Grand umso mehr, weil ich weiß, dass sie überall im Land auf unterschiedlichen Bühnen und vor lauter Fremden auftritt. Sie ist wirklich mutig.
Der Geruch eines blumigen, pudrigen Parfüms erfüllt die Luft. Theater haben einen ganz eigenen Geruch, eine Mischung aus Wachs, Farbe und einem Parfümdunst, der entweder vom Publikum oder von den Schauspielerinnen stammt oder vielleicht von beiden. Immer wenn ich mit Grand ins Theater gegangen bin, ist mir dieser schwere Parfümduft aufgefallen, und sie sagte, es sei der Geruch der »Geister vergangener Aufführungen«. Das hätte ich in meiner Hausarbeit für Mrs. Carleton schreiben sollen. Ich wette, dann hätte ich eine Zwei plus anstelle einer Zwei minus bekommen. Tja, Pech gehabt.
Ich gehe hinter die Bühne und betrachte die Kostümständer. Die Namen der Figuren baumeln an den Kleiderbügeln. Die Kostüme sind ordentlich gebügelt und nach Szenen geordnet. Die dazugehörigen Schuhe ruhen in einer geraden Reihe auf einem Bord über dem Rollständer. Auf dem Tisch danebenstehen Holzklötze mit Hüten aus den verschiedenen Modeepochen, ebenfalls nach Szenen geordnet. Die Hüte riechen nach teurem Parfüm, Rosen und Honig. Es sind gebrauchte Hüte mit Samtkrempen, Satinschleifen und Federbüscheln. Einige haben Rüschen aus Tüll, andere Nadeln aus Strasssteinen daran. Das Licht fällt auf die Schleifflächen der Strasssteine, und sie glitzern wie die Wassertropfen des Brunnens vor unserem Zimmer, wenn die Sonne frühmorgens darauf scheint.
An der Wand steht ein Tisch mit Klebebandmarkierungen für die Requisiten jeder Szene. Eine Theateraufführung erfordert einen präzisen und gut durchdachten Ablauf. Ich nehme eine hölzerne Schöpfkelle und den dazugehörigen Eimer in die Hand und stelle sie dann sorgfältig wieder an ihren Platz zurück. Nach der Aufführung werden alle Sachen wieder in ihren Kisten verstaut und für die nächste Aufführung aufbewahrt. Ich bin ein bisschen traurig, weil ich anschließend kein weiteres künstlerisches Projekt geplant habe. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mir dieser langweilige
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