Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Violas bewegtes Leben

Titel: Violas bewegtes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Trigiani
Vom Netzwerk:
nicht?«, frage ich. Manchmal wirkt Suzanne ganz verstört, nachdem sie ihre Mails gelesen hat. Ich frage mich, ob irgendein fieser Freund zu Hause ihr Liebeskummer macht. Sie hat zwar nie von einem Freund erzählt, aber was sonst könnte ein Mädchen mitten in der Nacht zum Heulen bringen? Neunte Klasse Algebra? Bestimmt nicht. Außerdem ist Suzanne ein Mathe-As, daran kann es also nicht liegen. »Du kannst mir gerne sagen, wenn dich etwas bedrückt.« Ich drehe mich um und schaue in der Dunkelheit zu ihrem Bett hinüber.
    Nach einer Weile flüstert Suzanne: »Man kann sowieso nichts daran ändern. Und ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«
    »Na gut. Aber ich kann irgendwie nicht einschlafen.« Ich rolle mich wieder auf mein Kissen und starre an die Decke. »Es kommt mir vor, als wäre mein Kopf voller Gerümpel, das ich nicht sortiert bekomme.«
    »Du solltest mal zu Mrs. Zidar gehen«, flüstert Suzanne.
    »Warum?«
    »Sie ist gut darin, Sachen zu sortieren und zu ordnen, und vielleicht ist es ja auch ein medizinisches Problem.«
    »Ich habe nicht gesagt, ich hätte ein Problem. Ich sagte nur, ich kann nicht schlafen.«
    »Das ist ein Problem. Wenn du nachts nicht schlafen kannst, dann liegt dir etwas auf der Seele und dann solltest du mit jemandem sprechen, der dir dabei hilft, herauszufinden, was es ist.«
    »Und was ist mit dir?«
    »Mir kann Mrs. Zidar nicht helfen.«
    Schweigen legt sich über uns, eine tiefe Stille, so dunkel wie unser Zimmer. Sogar ein Mädchen wie Suzanne, das keine Probleme zu haben scheint, weint sich manchmal in den Schlaf. Normalerweise bekommt man es nur nicht mit. Das ist etwas, was mich die PA gelehrt hat und was ich zu Hause niemals gelernt hätte, weil ich mein eigenes Zimmer habe und ein Einzelkind bin. Niemand hat es leicht, nicht mal die großen, hübschen blonden Mädchen.
     
    Andrew und ich haben uns was ausgedacht, wie wir Caitlin elektronisch in die Gegenwart befördern können, was bedeutet, dass wir sie dorthin zerren müssen. Andrew hat seine Mutter gebeten, bei Mrs. Pullapilly anzurufen und ihre Erlaubnis einzuholen, dass Caitlin nach der Schule mit zu ihm kommen und zusammen mit Andrew mit mir skypen darf. Schließlich hat sie eingewilligt, nachdem wir die gute Frau auf Knien angefleht haben und Caitlin versprochen hat, hundert Jahre lang den Abwasch zu machen und samstags das Auto ihres Vaters zu putzen. Verrückt! Ich winke in die Kamera an meinem Laptop.
    »Hey Leute!«
    »Dein Pony ist gewachsen!«, sagt Caitlin und beugt sich zur Kamera an Andrews Computer.
    »Ich weiß.« Ich ziehe an meinen Stirnfransen und streiche sie mir hinter die Ohren.
    »Hi, Viola.« Andrew drängt sich ins Bild. Er sieht aus wie immer. Caitlin trägt ein geflochtenes goldenes Lederstirnband. Ihr schwarzes Haar ist auf Schulterlänge stumpf abgeschnitten. Ihre dunklen Augen ziehen sich an den Augenwinkeln nach oben, wenn sie lächelt, und es ist toll, sie lächeln zu sehen. Ihre karamellbraune Haut sieht das ganze Jahr über wunderschön aus. Sie hat nicht diese fleckige Haut wie nicht-indische Mädchen, wenn die Bräune wieder verfliegt. Caitlin ist vierzehn, aber wenn ihre Mutter ihr erlauben würde, Lippenstift zu tragen (niemals!), würde sie mit ihren vollen, perfekten Lippen leicht als achtzehn durchgehen.
    »Was geht ab?«, frage ich sie.
    »Du zuerst.«
    »Also …«, fange ich an.
    »Hast du den Geist wieder gesehen?«, fragt Caitlin.
    »Nein. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es überhaupt ein Geist ist.«
    »Na gut, dann eben die geheimnisvolle rote Frau. Ich glaube, du brauchst keine Angst zu haben. Meine Tante Naira sagt, nur spirituell erfüllte Menschen bekommen Besuche von Geistern von der anderen Seite.«
    »Ich bestelle jetzt nur noch rote Sachen, zum Beispiel Tandoori-Huhn, zu Ehren deines Geistes«, witzelt Andrew.
    »Ich wusste, dass du einen Weg finden würdest, von dieser Sache zu profitieren«, necke ich ihn zurück.
    »Wir können es kaum erwarten, dass du Weihnachten nach Hause kommst«, sagt Caitlin.
    »Ich auch nicht.«
    »Wir zeigen am 22. Dezember im Medienlabor von LaGuardia unsere Videoprojekte.« Andrew lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Er sieht aus, als wäre er tausend Kilometer entfernt. »Kannst du kommen?«
    »Klar. Bis dahin bin ich längst zu Hause!«
    »Perfekt«, sagt Caitlin.
    »Bring den Geist mit«, sagt Andrew.
    »Ich weiß nicht, ob sie gerne verreist.«
    »Tante Naira kommt über Silvester zu uns – du kannst sie also alles

Weitere Kostenlose Bücher