Violas bewegtes Leben
bei dir?
AB: Wie immer.
Ich: Hast du Tag Nachmanoff in der Schule gesehen.
AB: Findest du den immer noch toll?
Ich: Ja. Aber er ist zu alt.
AB: Dann stell dich besser hinten an. Er hat ungefähr fünf Freundinnen.
Ich: Caitlin sagt zwei.
AB: Zwei oder fünf – wo ist der Unterschied?
Ich: Hast recht. Zwei oder fünf oder eine Million. Es ist sowieso unmöglich. Natürlich, wenn es möglich wäre … dann vielleicht.Aber es ist unmöglich, und ich strebe nicht nach dem Unmöglichen.
AB: Okay. Muss los.
Ich: Bis dann.
Und dann passiert etwas sehr merkwürdiges – Andrew meldet sich ab. Loggt sich richtig aus. Das macht er sonst nie. Normalerweise gibt er mir noch ein oder zwei Minuten, falls mir noch etwas einfällt, das ich erzählen wollte, eine Art Chat-Pause. Aber heute gibt es keine Gnadenfrist. Er ist weg. Ich schalte meinen Computer aus und sitze wie belämmert da. »Na, das war ja total seltsam.«
Marisol tupft sich Rouge auf die Wangen. »Was ist passiert?« Sie verschmiert die rosig schimmernde Paste.
»Andrew war genervt wegen der Party. Ganz abweisend.«
»Er ist eifersüchtig«, sagt Suzanne und schaut in den Spiegel.
»Niemals. Wir sind beste Freunde. Wir sind kein Paar.«
»Vielleicht ist es ihm nicht bewusst, aber er hätte gerne, dass du seine Freundin bist«, sagt Suzanne. »Ein Junge gibt sich nicht nur aus reiner Freundschaft mit einem Mädchen ab.«
»Woher willst du das wissen? Steht das in einem Buch oder was?«, frage ich.
»Wenn es ein Buch darüber gäbe, würde ich es gerne lesen.« Marisol zieht ihre besten Jeans hervor, die mit den Lederfransen an der Seitennaht. Ich finde sie ein bisschen zu aufgedonnert für unsere erste Party, aber was weiß ich schon? Vielleicht bin ich mit meinem Trägerkleid ja selbst modisch gesehen zwei Jahre hintendran.
»Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand.« Suzanne tuscht sich vor dem Spiegel die Wimpern. »MeineBrüder zum Beispiel gehen ganz pragmatisch vor, was Mädchen betrifft. Sie verschwenden keine Zeit auf welche, die nicht als potenzielle Freundinnen infrage kommen. Und sie suchen sich nur solche Mädchen aus, die auf jeden Fall Ja sagen, wenn sie sie um ein Date bitten. Damit wisst ihr schon alles, was man über Jungs wissen muss. Sie sind nur hinter etwas her, von dem sie wissen , dass sie es auch kriegen können. Wir Mädchen dagegen wollen viel zu hoch hinaus. Wir setzen uns zu hohe Ziele, wie dieser Typ, von dem du erzählt hast, Viola …«
»Tag?«
»Genau, Tag.« Suzanne wirft den Kopf nach vorne und schüttelt ihre Haare. Dann richtet sie sich wieder auf, und ich schwöre, jedes Haar fällt perfekt über ihre Schultern. »Nimm diesen Typen, diesen Tag. Er weiß, dass ihn alle Mädchen mögen, also kann er sich zurücklehnen und sich aussuchen, welches von all den Mädchen an deiner alten Schule er ins Kino einlädt. Wenn ich du wäre, würde ich ihn von meiner Liste streichen.«
»Ich kann ihn nicht streichen; er ist so was wie … mein höchster Traum.« Gerade bedaure ich, dass ich den Mädels von TN erzählt habe.
»Regel Nummer Eins, wenn es um Jungs geht: Verschwende keine Energie auf etwas, das keinen Erfolg haben wird.«
Romy setzt sich auf Suzannes Bett. Sie streicht die Tüllschichten ihres superkurzen Minirocks glatt, den sie über ihrer besten Jeans trägt. »Das stimmt. Das weiß ich aus dem Physikunterricht. Energie muss aus einer Quelle gespeist werden. Sonst verpufft sie.«
»Das Gleiche gilt für Jungs: Wenn du von deinen Träumen ablässt, wenn du aufhörst, dich nach etwas Unerreichbarem zusehnen, dann bist du frei, einen Jungen zu finden, der für dich erreichbar ist.«
»Ich kann Tag nicht aufgeben.«
»Warum nicht?«
»Na ja, er ist wie eine Eins für ein Referat, bei dem man sich echt Mühe gegeben hat. Er ist wie ein Pokal, den man bei den Bezirksmeisterschaften im Hockey gewinnt. Er ist wie Shia LaBeouf, der inmitten von Normalsterblichen durch Brooklyn läuft.«
»Er ist ein Traum«, sagt Romy.
»Ja.«
»Das ist ja alles schön und gut, aber er ist nicht hier«, sagt Suzanne. Ihre Worte klingen vernünftiger, als ich es zugeben mag. Ich lebe schon genug in einer Traumwelt, indem ich mich ständig nach Brooklyn sehne, Filme mache und ein Videotagebuch führe.
Ehrlich gesagt hätte ich eigentlich gerne ein bisschen mehr Realität in meinem Leben. Vielleicht finde ich ja etwas davon bei den Schnarchnasen.
Der Bus biegt in die Einfahrt der Grabeel Sharpe Academy für
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