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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Jule, hast du ein Auto?«
    »Nein. Du?«
    »Nö. Aber kein Problem. Dann besorge ich uns eines.« Grinsend stülpte sich Ewa die Kapuze ihrer blauen Sweatjacke über.
    Jule schluckte. Gemein, aber warum klang dieser Satz aus dem Munde einer Frau mit polnischen Wurzeln so verdammt verwegen?
    »Gib mir eine Viertelstunde«, rief Frau B. noch und klack, fiel die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss.
    Prima, Süße. Knack uns bitte einen hübschen Porsche.

KAPITEL 10

    Die Realität, sie war gnadenlos und grausam. Der Traumporsche entpuppte sich als rote, scheppernde Rostlaube. Ein klappriger 2er Golf, mit abgewetzten Sitzpolstern und muffigen Duftbäumen am Rückspiegel. Künstliches Vanille-Aroma konkurrierte mit dem Zigarettenmief, der aus dem überquellenden Aschenbecher drang. Fettige Papiertüten von McDonalds bevölkerten die Rückbank und jeglichen Fußraum. Bereits nach drei Blocks war Jule latent übel. Gut, das konnte auch an der Fahrweise von Frau B. liegen. Mal röhrend, mal ruckelnd manövrierte sie den Wagen über die nächtlich beleuchteten Großstadtstraßen.
    »Wie wäre es gegebenenfalls mit sinnigem Hochschalten?«, regte Jule irgendwann an, ging nicht anders. So viel Gestümper musste kommentiert werden.
    »Wie bitte, was?«
    »Zur Info, Fräulein: Zwischen dem ersten und den dritten gibt es tatsächlich noch einen Gang. Nummer zwei. Warum nimmst du nicht den zur Abwechslung? Der soll ganz gut sein.«
    »Jule, glaubst du, ich fahre erst seit gestern Auto?«
    Was weiß denn ich, Bogacz? Vielleicht gibt’s den Lappen in Warschau auf dem Wochenmarkt.
    »Der zweite klemmt«, erklärte Ewa. »Hat Tomasz vorhin gesagt.«
    »Tomasz? Sekunde.« Jule und ihr mieses Namensgedächtnis strengten sich gewaltig an. »Das war der mit dem Roller, richtig?«
    »Genau. Kumpel von mir. Echt schräger Typ. Musiker. Aber dass er uns so spontan seinen Wagen borgt, ist richtig stark.«
    Weil er vermutlich auf einen neuen spekuliert, Fräulein? Weil er hofft, dass uns die Kiste bei der nächsten Biegung unterm Arsch zusammenkracht und wir ihm einen neuen Schlitten kaufen? Oder … Jule schnupperte, schon zum x-ten Mal. »Sag mal, täusche ich mich, oder riecht es hier drin nach Gras?«
    »Was?« Ewa warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. »Ach Quatsch. Blödsinn. Außerdem, äh … ich dachte, du hast keine Ahnung von dem Zeug, Jule.«
    »Hör mal, Fräulein. Nur weil ich persönlich mit Haschisch nichts am Hut haben und diese gripsfreien Kiffer verabscheue, erkenne ich doch den markanten, würzigen Duft von – verdammt, Ewa! Die Ampel war rot!«
    »Dunkelgelb.«
    »Ey, ich hab genau gesehen, dass …«
    »Putz deine Brille.«
    »Bogacz, ich bin kurzsichtig, nicht farbenblind. Außerdem ist oben bei jeder Ampel bekanntlich …«
    »Jule, fährst du oder ich?«
    Alarmstufe, Klappe zu, Schweitzer. Auch wenn’s wehtut.
    Bestimmt stand dieser Tipp in jedem Beziehungsratgeber. Akzeptieren Sie Ihren Partner, bleiben Sie ihm zugeneigt, besonders während der Teilnahme am Straßenverkehr. Dieser Klassiker war ja selbst für hartgesottene Ehepaare immer ein Wagnis, eine fiese Feuerprobe für jede Beziehung. Jule kramte ihr iPhone aus der Jackentasche, guckte auf die Uhr und rechnete. Krass, bald 16 Stunden Violett, sind wir gut. Wenn das kein Grund zum Feiern war. Paaarty! Im Halbdunkel befummelte Jule den Player am Armaturenbrett. Hm, puh, welch Glücksspiel bei all den fremden Knöpfen, die sich ohne Licht aber auch so verdammt ähnlich sahen. Erfahrungsgemäß war der Power-Knopf immer links oben. Ein kurzer Stups und, wahbam, Jule zerfetzte es fast das Trommelfell von Gitarrengeschrammel und Gegröle.
    »Mach das aus!«, brüllte Ewa, und Jule parierte.
    Uff, Stille. »Für einen Musiker hat dieser Tomasz aber einen ziemlich beschissenen Musikgeschmack.«
    »Er hat eine Heavy-Metall-Band.«
    »Oh.« Jule kämpfte gegen die aufploppenden Klischees im Kopf. Ungewaschene Mähne bis zum Arsch, wildwuchernde Kotletten, schwarzes Shirt mit Zombifratze, das sich über einen behaarten Bierbauch spannte und triefte vor Schweiß. Bei derartigen Gedanken wurde Jule erneut übel, und diese Drecksduftbäume verbesserten die Lage nicht im Geringsten. Luft! Automatisch griff sie zur Fensterkurbel.
    »Finger weg, Jule!«
    »Wieso?«
    »Die Scheibe ist nicht fest.«
    »Wie bitte?«
    »Hält aber. Sagt Tomasz.«
    Himmel, worauf hatte sich Jule nur eingelassen? Beim nächsten kranken Hund nehmen wir ein Taxi. Ich habe eine Kreditkarte. Tja.

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