Violett ist erst der Anfang
sich die Schläfe. »Du hast gecheckt, dass Danielle anschafft?«
»Na sicher. Hältst du mich für doof?«
»Und verstanden, dass dich erst Danielle und dann der Heini da für eine Prostituierte gehalten haben?«
»Schon irgendwie. Aber ehrlich gesagt nur bedingt.« Jule rückte an ihrer Brille. »Du sagst immer, ich sehe unerotisch aus mit dem Gestell. Direkt vor dem Puff stand ich dieses Mal auch nicht.« Schweitzer, muss an deinen scharfen Grübchen liegen. »Ist das so ein typisches Hamburg-Ding? Alles dreht sich um Sex?«
»Gib mir die Tüte, Jule.« Ewa zog ihre Einkäufe unter Jules Pulli hervor. »Die Beule sieht nach Bauchtasche aus.«
»Echt?« Na, besser als schwanger. »Du, vielleicht sollte ich mir eine anschaffen und …«
»Nein!« Anpfiff.
»Was denn? Die sind praktisch und offenbar wieder in.«
»Nur auf dem Kiez, Jule. Und bei berufstätigen Damen wie Danielle, die … Ach egal. Komm. Ich bin ja da und pass auf dich auf.« Ein mildes Lächeln umspielte Ewas Mundwinkel, als sie Jules Hand nahm. Auf zu Alicja, der Gutemine mit der bösen Liste.
Und zu ihrem Doppelbett. Schnurr. Wird langsam Zeit, Süße.
Herzlich Willkommen. Das stand noch immer auf der Fußmatte aus Kokosfasern. Jule wollte soeben den Klingelknopf drücken, doch Ewas sorgenvoller Blick ließ sie innehalten. »Was hast du denn?«
»Schiss.« Ewas Daumen ging zum Mund.
»Hey, die meisten Sachen auf der Liste haben wir erledigt.«
»Aber nicht alles. Alicja wird ausflippen.«
»Na und?« Jule verdrehte die Augen. »Wenn sie brüllt, brüllen wir zurück. Ganz einfach.«
»Alicja kann länger. Glaub mir.«
»Aha. Aber uns fehlt Plan B. Oder willst du zu Dieter und den anderen in die Oase?«
»Nein!« Heftiges Schnaufen.
Jule grinste. Schon klar, Bogacz. Hotel und Bordell sind für dich so billig wie das Adlon. »Deine Freunde kriegen sich schon ein. Familie. Außerdem, Knutschen im Kino musste sein. Oder bereust du’s?«
»Nein. Das war großartig. Also … du warst großartig.«
»Nein, du warst großartig.«
Ewa strahlte. »Wir beide waren großartig, Jule.«
Hach. Niemand könnte sich inniger abfeiern, nicht mal eine Selbsthilfegruppe. »Genau, Süße. Deshalb marschieren wir taff rein und lügen denen die Hucke voll. Hallo? Wir sind Schauspieler. Das können wir.«
»Ich hasse Lügen.«
»Mach eine Ausnahme, Ewa. Wie beim T-Wort. Es geht um uns.«
»Trotzdem. Alicja wird uns das ansehen.«
»Quatsch. Wir sind großartig. Und jetzt küssen wir uns Mut an. Ja?« Zu Befehl. Nichts lieber als das. Wie so oft trafen sich ihre Münder zu einem Meeting, das kein Ende nehmen wollte und sollte. Diese Ewa-Küsse, und Jules Beine wabbelten wie Götterspeise. Sie lehnte sich zurück, und hatte nur noch einen klaren Gedanken im Kopf. Ewa. Und auf einmal unzählige Stimmen im Ohr.
»Ja? Hallo? Jaaa? Ja, bitte? Hallo? Wer ist denn da?« Und schließlich: »Ihr Penner! Geht endlich von der Klingel!«
Ups. Besten Dank für die Regieanweisung aus dem Off, der Gegensprechanlage. So liefen sie beide nach ihrem unglücklichen Stellungsfehler mit roten Köpfen durchs Treppenhaus in den vierten Stock. Welch Spießroutenlauf, auf dem sie artig alle schimpfenden Nachbarn grüßten, die sie mit Sturmgeläut aufgescheucht und aus ihren Wohnungen getrieben hatten. Nur Struppi, die treue Seele, kratzte das alles gar nicht. Wie ein Irrer schoss er ihnen entgegen für ein sabberndes Freudentänzchen.
»Wenigstens seid ihr pünktlich«, empfing Alicja sie mit kritischem Blick auf die Uhr, woraufhin sie beide sich in den Flur trollten. »Habt ihr mir irgendwas zu erzählen?«
»Wir … äh … wir …«, stotterte Ewa.
»Nein. Alles supi.« Jule legte ein breites Lächeln auf. »Wir haben die ganze Zeit deine Liste abgearbeitet.«
»Jule, spar dir die Grübchen. Ich glaub dir kein Wort.«
Wie bitte? »Aber warum denn nicht?«
»Ewas Ohren sind feuerrot. In die Küche – sofort!«
Sturmwarnung in Hamburg. Nichts Neues. Ab auf die Eckbank. Zu Piotr, der über seiner Zeitung kauerte mit schlumpfiger Kaffeetasse neben sich, ganz so als hätte er sich seit heute Morgen nicht vom Fleck bewegt. Doch das hatte er natürlich. Schon allein während ihres Bogacz-Button-Intermezzo auf dem Küchentisch. Nun blitzte die Küche frisch geputzt, keine einzige Tortenspur und Willi-Scherbe war mehr zu sehen.
Angestrengt versuchte Jule die polnischen Mienen zu deuten. Ob die Herrschaften noch sauer waren? Prompt rupfte Alicja ihr die Brille von
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